Wien - Die von der EU-Kommission geplante "Blue Card", die einheitliche Zuwanderungs-Regeln für Schlüsselarbeitskräfte bringen soll, stößt in Österreich auf große Skepsis. Strikt abgelehnt wird diese Initiative vom ÖGB, von der FPÖ und vom BZÖ. Auf Regierungsebene zeigte man sich skeptisch-zurückhaltend.

Auf Regierungsebene blieben die Stellungnahmen vorerst skeptisch-zurückhaltend. Im Büro von Wirtschafts-Staatssekretärin Christine Marek (ÖVP) hieß es, man müsse nun den endgültigen Vorschlag abwarten. Der Teufel stecke oft im Detail, etwa bei der Frage, ob temporäre Zuwanderer mit einer "Blue Card" ungehindert in alle anderen Mitgliedstaaten umziehen könnten. Die grundsätzliche Position bleibe unverändert. Man sollte nicht "den zweiten Schritt vor dem ersten setzen". Jetzt gehe es zuerst um die stufenweise "Ostöffnung" gegenüber den Nachbarländern.

"Exponierte Lage"

"Skeptisch" ist auch das Sozialministerium. Minister Erwin Buchinger (SPÖ) sehe dadurch die Kontrolle über den österreichischen Arbeitsmarkt gefährdet, erklärte seine Sprecherin Gisela Kirchler. Österreich befinde sich in einer exponierten Lage und müsse die Möglichkeit haben, die Zugänge zum Arbeitsmarkt eigenständig und nach den eigenen Bedürfnissen zu gestalten.

ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer erklärte am Dienstag in einer Aussendung, "damit werden falsche Prioritäten gesetzt". Der ÖGB-Chef sieht durch die "Blue Card" das "große Arbeitsmarkt-Paket der österreichischen Sozialpartner" gefährdet. Hauptaugenmerk müsse auf die Aus- und Weiterbildung der in Österreich lebenden Arbeitnehmer gelegt werden. Durch die "Blue Card" bestehe zudem die Gefahr des Lohndumpings.

Für die FPÖ kritisierte Europaparlamentarier Andreas Mölzer, mit der "Blue Card" werde "versucht, unter dem Deckmäntelchen der Bekämpfung des Facharbeitermangels die Grenzen sperrangelweit aufzumachen". Die Frage der Zuwanderung und der Arbeitsmarktpolitik müsse Sache der Mitgliedstaaten bleiben. Ähnlich die Kritik des BZÖ. Generalsekretär Gerald Grosz sprach in einer Aussendung von einem "EU-Zuwanderungsdiktat".

Zustimmung unter Österreichs Europa-Parlamentariern

Die österreichischen Abgeordneten im Europaparlament sehen die Pläne eher positiv: "Wir brauchen geordnete, europaweite Regeln", sagte der Leiter der ÖVP-Delegation, Othmar Karas am Rande der Plenarsitzung. Die Delegationsleiterin der SPÖ, Karin Scheele unterstrich, dass es in erster Linie um die Frage gehe, wie qualifizierte Kräfte in die EU gezogen werden könnten.

Die sogenannte Blue Card sei eine Möglichkeit "Beschäftigung in der EU viel attraktiver zu machen", sagte Scheele. Laut im Voraus bekanntgewordenen Informationen soll das geplante Pendant zur amerikanischen Green Card Drittstaatenangehörigen mit bestimmter Qualifikation erlauben, für zwei Jahre in einem bestimmten EU-Land zu arbeiten und zu leben. Die Blue Card soll dann verlängert bzw. genützt werden können, um im gleichen oder einem anderen EU-Land Arbeit zu suchen. Sie habe auch nicht den Eindruck, dass die Blue Card unter der Annahme ausgestellt werde, dass die Betroffenen wieder zurückgehen, so Scheele.

In erster Linie Sicherheit

Karas betonte, dass das neue Instrument in erster Linie "Sicherheit" geben wird. Damit könne die "Balance" gefunden werden zwischen den Freiheiten in der EU und der Notwendigkeit auf die demografische Entwicklung und den Fachkräftemangel in einigen EU-Ländern zu reagieren. Die Blue Card sei "nichts Endgültiges", er nehme aber an, "dass sich das fließend entwicklen wird".

Die ÖVP-Abgeordneten unterstrichen neuerlich, dass die Arbeitsbewilligung für Schlüsselkräfte laut den bisherigen Informationen kein automatisches Bleiberecht nach sich ziehe und nur für ein bzw. mehrere bestimmte Länder gilt und ein entsprechend klares Symbol dafür tragen wird. "Die sogenannte Blue Card wird kein unbeschränktes Interrail-Ticket für Arbeitsmigranten sein", betonte Sicherheitssprecher Hubert Pirker in einer Aussendung. Pirker ließ aber die Möglichkeit zu, dass sich hoch qualifizierte Arbeitssuchende für eine zweite Blue Card in einem anderen Mitgliedstaat bewerben können, um grenzüberschreitend tätigen Unternehmen entgegen zu kommen.

Karas äußerte die Hoffnung, dass die Aufenthaltsbewilligung in der durch die Blue Card verbundenen EU eine Debatte, mehr Koordinierung über den Bedarf von Fachkräften und letztlich mehr Information und Integration bringen wird.

Der freiheitliche EU-Abgeordnete Andreas Mölzer sprach sich am Dienstag gegen die Blue Card-Pläne aus. "Hier wird versucht, unter dem Deckmäntelchen der Bekämpfung des Facharbeitermangels die Grenzen sperrangelweit aufzumachen", heißt es in einer Presseinformation. Die Blue Card dürfe "nicht zu einem Schlupfloch für eine unkontrollierte Massenzuwanderung" werden. Grundsätzlich sei der Facharbeitermangel durch Ausbildungsoffensiven zu beseitigen bzw. sei ein Saisoniermodell zu bevorzugen.

Für Österreichs Wirtschaft "zu wenig ambitioniert"

Den Erwartungen der Wirtschaft entspricht die "Blue Card" nicht. "Der heute von der EU-Kommission vorgelegte Entwurf einer für Europa geltenden Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis liegt deutlich hinter den bisherigen ambitionierten Vorhaben zurück", erklärte Reinhold Mitterlehner, Generalsekretär-Stellvertreter der Wirtschaftskammer Österreich. Mitterlehner wünscht sich eine Blue Card, die als Arbeitserlaubnis für die gesamte EU gilt.

Mitterlehner: "Wir sollten die Chance nutzen und Europa mittels Blue Card als attraktive Region für hoch qualifizierte Migranten positionieren. Europa braucht dringend attraktive Rahmenbedingungen, um hoch qualifizierte Personen an zu locken." In Österreich bestehe in vielen Branchen ein akuter Bedarf an gut qualifizierten Arbeitskräften, so die Wirtschaft.

Auch in Österreich sei eine öffentliche Debatte über ein zukunftsfähiges Zuwanderungssystem überfällig: "Derzeit beschränkt sich die Zuwanderung auf Familienzusammenführung, Schlüsselkräfte und Saisonniers. Wir haben raschen Handlungsbedarf, sonst geht es uns wie bei den Fachkräften aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten: die besten sind meist schon weg", so Mitterlehner. Nach Schätzungen von Wirtschaftskammer und Arbeitsmarktservice fehlen bis zum Jahr 2009 rund 50.000 qualifizierte Fachkräfte in Österreich. (APA)