Warschau - Die rechtsliberale Bürgerplattform (PO) muss trotz ihres deutlichen Sieges bei der Parlamentswahl in Polen mit starkem Gegenwind aus dem konservativen Lager rechnen. Politiker der rechtskonservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) fordern Staatspräsident Lech Kaczynski auf, auch Einfluss auf die Besetzung von Ministerposten zu nehmen. Lech Kaczynski trat zwar nach seiner Wahl 2005 formal aus der PiS aus, steht aber weiter auf der Seite der Partei seines Zwillingsbruders und Noch-Premiers Jaroslaw Kaczynski.

"Wenigstens die Ernennung des Außen- und des Verteidigungsministers sollte mit dem Präsidenten abgestimmt werden", erklärte der Geheimdienstminister Zbigniew Wassermann (PiS) am Montag in einem Radiointerview. Schließlich sei der Präsident für beide Politikfelder laut Verfassung mitverantwortlich, so Wassermann. Gleichzeitig deutete der PiS-Politiker an, dass Lech Kaczynski sich der Ernennung eines Kandidaten, der nicht mit ihm abgestimmt werde, verweigern sollte. Der PiS-Europaabgeordnete Ryszard Czarnecki verlangte ein Mitspracherecht auch für das Geheimdienst- und das Innenressort.

Erster Zankapfel

Nach Informationen der Zeitung "Dziennik" (Dienstag-Ausgabe) könnte das Außenministerium der erste Zankapfel werden. Wenn die PO den Ex-Verteidigungsminister Radoslaw Sikorski für diesen Posten vorschlagen sollte, werde der Präsident diese Kandidatur blockieren, schreibt die Zeitung. Sie beruft sich dabei auf anonyme "Quellen im Präsidentenpalast". Dem widersprach Premier Jaroslaw Kaczynski in einem Radiointerview.

Lech Kaczynski, der sich seit dem Wahltag nicht mehr öffentlich geäußert hat, kann durch sein Vetorecht auch Gesetze verzögern oder sogar verhindern. "Ich werde meine konstitutionellen Rechte wahrnehmen", erklärte er bereits vor der Wahl für den Fall eines Oppositionssieges. Kaczynski gab auch ein Beispiel: Die Privatisierung von Krankenhäusern, über die in der PO nachgedacht wird, werde er nicht zulassen. Die Wahlsieger wollen sich indes nicht bevormunden lassen: "Die Verantwortung für die Regierung und die Politik trägt der künftige Premier", erklärte Bronislaw Komorowski, Außenpolitik-Experte der PO.

Veto kann vom Parlament mit drei Fünfteln überstimmt werden

Ein Veto des Staatspräsidenten kann laut polnischer Verfassung vom Parlament überstimmt werden - allerdings nur mit einer Mehrheit von drei Fünfteln der Stimmen. Diese würde die PO auch gemeinsam mit ihrem gewünschten Koalitionspartner, der Bauernpartei PSL, nicht erreichen. Wenn sie sich nicht mit dem Präsidenten und der PiS verständigen kann, müsste sie also mit dem linksliberalen Wahlbündnis LiD verhandeln. Die PiS würde ihr dann wie schon früher den Vorwurf machen, mit ehemaligen Kommunisten zu paktieren.

Rekordergebnis für Chef der Rechtsliberalen

Donald Tusk hat für die rechtsliberale Bürgerplattform (PO) das beste Wahlergebnis in der Geschichte der freien Wahlen in Polen nach der Wende 1989 erzielen können. Er sammelte im Wahlkreis Warschau 534.241 Stimmen. Das sind rund 90 Prozent aller Stimmen, die auf der Warschauer PO-Wahlliste abgegeben worden sind. Der wichtigste Kontrahent Tusks, Premier Jaroslaw Kaczynski von der rechtskonservativen Regierungspartei PiS ("Recht und Gerechtigkeit"), bekam um die Hälfte weniger. Er wurde bei der Wahl von 273.684 Wählern unterstützt.

Dank dem Rekordergebnis Tusks bekamen im Wahlkreis Warschau elf Kandidaten der PO Mandate im Unterhaus (Sejm). Die Rechtsliberalen erzielten bei der Wahl in der polnischen Hauptstadt 52 Prozent der Stimmen. Die Konservativen können mit 28 Prozent der Stimmen mit sechs Mandaten für ihre Warschauer Kandidaten rechnen. In den Sejm werden aus Warschau auch zwei Kandidaten der Wahlkoalition Linke und Demokraten (LiD) einziehen.

Auslandspolen

Sein historisches Ergebnis verdankt der PO-Chef auch den Auslandspolen, die sich bei der Parlamentswahl enorm zahlreich beteiligten. In vielen ausländischen Wahllokalen musste man lange Zeit Schlange stehen, um die Stimme abgeben zu können. Die Wartezeit an der Urne betrug zum Beispiel in Dublin 3,5 Stunden. Polen im Ausland stimmten auf Warschauer Wahllisten. Laut Hochrechnungen unterstützten die Emigranten in Europa überwiegend Tusk. In den Vereinigten Staaten erwies sich Kaczynski als Sieger. (APA)