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Nobelpreisträger Al Gore bei Kanzler Alfred Gusenbauer.

Foto: APA/Unger
Wien - Der frühere US-Vizepräsident und heurige Friedensnobelpreisträger Al Gore ist am Mittwochabend auf Blitzbesuch nach Wien gekommen. Bei einem Treffen mit Bundeskanzler Alfred Gusenbauer erklärte er, dass in den USA ein Bewusstseinswandel in der Umweltschutzthematik eingesetzt habe. Grund für das Kommen war eine Einladung der Mobilkom für einen Vortrag im Wiener Arsenal.

Vor über 900 Zuhörern sagte Gore, der Klimawandel sei hauptverantwortlich für die Feuerkatastrophe in Kalifornien und könnte dazu führen, dass man in Österreich bald keine Gletscher mehr sehen werde. Eine Rückkehr in die Politik schloss Gore in Wien nicht aus, allerdings betonte er: "Ich habe keine Pläne, für das Amt des US-Präsidenten zu kandidieren." Ansonsten gab sich Gore bei seiner Wien-Visite öffentlichkeitsscheu. Interviews gab es keine, die Kameras durften nur fünf Minuten seines Auftritts mitschneiden.

Notfall

In seiner Rede berichtete Gore, dass es in Südkalifornien heuer weniger als drei Zentimeter Regen gegeben habe und die Temperaturen in den vergangenen Tagen um zehn Grad höher gelegen seien als im früheren Durchschnitt. Die starken Winde hätten die Situation zusätzlich verschlechtert. Sein Schluss daraus: "Wir stehen vor einer planetaren Notfallsituation! Wir müssen daher handeln, und zwar jetzt!"

Großes Lob spendete der Demokrat Gore dabei Kaliforniens republikanischem Gouverneur und gebürtigem Steirer Arnold Schwarzenegger. Schwarzenegger mache einen "tollen Job" und setze vor allem in klimapolitischer Hinsicht wichtige Akzente. Er habe mit ihm engen Kontakt und sehe Möglichkeiten, über Parteigrenzen hinweg weitere Partner zu finden, um des Klimawandels Herr zu werden, so Gore schon im Gespräch mit Gusenbauer.

Erneuerbare Energiequelle

700 Städte in den USA hätten sich bereits für die Umsetzung des von den USA bisher nicht ratifizierten Klima-Protokolls von Kyoto ausgesprochen. Der Druck aus den Bundesstaaten auf den US-Senat nehme immer mehr zu. Er glaube fest daran, dass nach den Wahlen im November 2008 eine andere Politik in die USA herrschen werde. "Wir brauchen nur den politischen Willen, und dieser ist in einer Demokratie wie Österreich oder den USA eine erneuerbare Energiequelle", erklärte der Nobelpreisträger.

Selbst will der Demokrat aber vorerst weiterhin nicht in den Wahlkampf-Ring um die künftige US-Präsidentschaft steigen. Ein politisches Comeback schloss Gore zwar nicht definitiv aus, aber nicht zum gegebenen Zeitpunkt. "Vielleicht mache ich das einmal in der Zukunft. Natürlich weiß ich, dass das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika das politisch machtvollste der Welt ist. Derzeit aber bin ich sehr glücklich in meiner Rolle als Anwalt in einer gänzlich anderen Kampagne, nämlich des Klimaschutzes und so lange ich damit glücklich bin, werde ich diese Aufgabe weiter verfolgen: Die Menschen dazu zu bewegen, umzudenken und die Erde zu retten", wich Gore den bohrenden Fragen von Diskussionsleiter und ZiB-Anchorman Armin Wolf aus.

Unbequeme Wahrheit

Wie schon in seinem Oscar-prämierten Dokumentarfilm "An Inconvenient Truth" (Eine unbequeme Wahrheit) führte er einmal mehr zahlreiche Beispiele an, die den gefährlichen Klimawandel veranschaulichen sollten. Nachdem das nördliche Polarmeer in den letzten drei Millionen Jahren ständig zugefroren war, drohe nun ein komplettes Verschwinden der Eiskappe innerhalb der nächsten 23 Jahre. Steige der Wasserspiegel dadurch um einen Meter an, müssten über 100 Millionen Menschen aus Küstenregionen fliehen. Stiege der Meeresspiegel gar um sechs Meter an, müsse man mit fast einer halben Milliarde Klima-Flüchtlingen rechnen, ein Zwölftel der gesamten Menschheit.

Der ehemalige US-Vizepräsident, der in seinem Staatsamt wegen seiner zurückhaltenden und oft hölzernen Art oft als "Schlaftablette" verspottet wurde, entfachte bei seinem souverän und gänzlich frei gehaltenen Vortrag Begeisterung im Publikum. Gastgeber, Telekom Austria und Mobilkom-Chef Boris Nemsic, zollte dem einzigen Menschen, der für seine Doku bereits einen Oscar erhalten und für seine Initiative erst vor zwei Wochen den Nobelpreis zuerkannt bekam, augenzwinkernd große Anerkennung: "Das war ganz einfach A1!"

Umgekehrt lobte Gore den Einstieg der Telekom in Weißrussland wörtlich als "revolutionären Virus". Das Engagement könne "viel bewegen" und zur Demokratisierung des Landes beitragen. Die Telekom hatte für 730 Mio. Euro Anfang Oktober 70 Prozent der MDC, des zweitgrößten weißrussischen Mobilfunkanbieters in Weißrussland, übernommen. Die USA und Menschenrechtsorganisationen bezeichnen das weißrussische Regime unter Präsident Alexander Lukaschenko als die "letzte Diktatur Europas".

Für den Auftritt Gores in Wien soll die Mobilkom nach divergierenden Medienberichten zwischen 100.000 und 300.000 Euro bezahlt haben. Er war damit der teuerste Gast in der Geschichte des Unternehmens. (APA)