Noch-Premier Jaroslaw Kaczynski hat Klagen gegen seinen wahrscheinlichen Nachfolger Donald Tusk, den Chef der rechtsliberalen Bürgerplattform (PO), angekündigt. Unter den Reden, die Tusk in den vergangenen zwei Jahren über ihn gehalten habe, sei keine einzige, gegen die man nicht klagen könne, sagte Kaczynski zu polnischen Zeitungen. Auch müsse Tusk sich zuerst bei Präsident Lech Kaczynski (dem Zwillingsbruder von Jaroslaw) für sein „flegelhaftes“ Benehmen im Wahlkampf entschuldigen, eher er von diesem respektvolle Behandlung erwarten könne. Das Staatsoberhaupt hat Tusk bisher nicht zu seinem Sieg gratuliert.
Zensurvorwurf an Zeitungen
Ähnlich wie ihr Regierungschef reagiert Außenministerin Anna Fotyga. Ihr Unmut richtet sich vor allem gegen die Medien, denen sie Zensur vorwirft: Zeitungen hätten mehrere Interviews mit ihr – „und zufällig nicht die schlechtesten“ – nicht gedruckt. Nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt werde sie „jeden, der mich beleidigt hat, vor Gericht bringen“, sagte Fotyga im Gespräch mit österreichischen Journalisten in Warschau. Beleidigt fühlt sie sich auch durch Vorwürfe der Wahlkommission, das Außenamt habe die in den polnischen Botschaft im Ausland abgegebenen Stimmen zu spät weitergeleitet. Ja, es habe Fehler aufgrund von Software-Mängeln gegeben, aber jede Stimme sei gezählt worden.
Nicht ganz ernst nimmt eine führende PO-Politikerin die Drohungen Fotygas. Malgorzata Kidawa-Blonska ist Vorsitzende der Bürgerplattform in Warschau und wurde soeben in den Sejm (Unterhaus) gewählt. Als Erster auf der Warschauer Liste erhielt Parteichef Tusk übrigens 500.000 Vorzugsstimmen, was absoluten polnischen Rekord darstellt. Fotygas Ankündigung sei eine erste Reaktion auf die Niederlage, sagt Kidawa-Blonska im Gespräch. Die nicht veröffentlichten Interviews der Außenministerin seien vielleicht „nicht besonders interessant“ gewesen. Die Außenpolitik ihrer Regierung habe viele Polen überrascht und irritiert, aber Fotyga habe „überhaupt keine Kritik akzeptiert“.
Die künftige Außenpolitik wird laut Kidawa-Blonska „freundliche, partnerschaftliche Beziehungen“ zu allen europäischen Ländern suchen: „Wir wollen nicht, dass Polen als ein Land betrachtet wird, das immer Nein sagt.“ Das entspreche auch überhaupt nicht der positiven Einstellung der Polen zu Europa. Wenn es ein Nein gebe, müsse es gut begründet sein, und man müsse einen Kompromiss suchen. Dass PiS die EU-Grundrechtecharta ablehne, verstehe sie nicht, da durch sie doch die Rechte aller Bürger garantiert würden.
West-Ost-Gefälle abschwächen
Das wirtschaftliche West-Ost-Gefälle, wie es sich auch diesmal wieder im Wahlergebnis widerspiegelt, sieht die Abgeordnete als ernstes Problem. In den Regionalregierungen, wo sie Mitverantwortung trage, habe die PO jedoch schon begonnen, etwas zu tun. Es gebe große Chancen vor allem im Tourismus, aber dazu müsse erst einmal viel in die Infrastruktur investiert werden. Zugleich müssten Firmengründungen erleichtert werden.