Wien - Wie interpretiert man ein Werk, das zu den populärsten, aber auch meistkritisierten Symphonien zählt? Man wandelt es zur virtuellen Oper. Bei Valery Gergiev, Dirigent und Intendant des Mariinski-Theaters in St. Petersburg, ist dieser Schritt nur logisch, arbeiten er und das Orchester des Theaters doch bereits seit fast 20 Jahren zusammen.

Tschaikowskys Fünfte in e-Moll wurde im Wiener Konzerthaus unter seinen Händen zu einem hochdramatischen und am Ende heftig akklamierten Ringen um die tonale und damit auch emotionale Stabilität des Orchesterklanges. Zwar konnte auch er die strahlende Dur-Coda am Ende des Finales nicht wirklich vollständig erklären - wie er jedoch die Musik zwischen schreiender Dissonanz und klangschönen, weit geschwungenen melodischen Linien hin und her riss, war mehr als nur beeindruckend. Es zeigte nämlich, dass dieses Ende nur dann Sinn macht, wenn es - ähnlich wie in Beethovens Fünfter - erst erkämpft werden muss. Dass dies nicht ohne die Blessuren eines stellenweise rau wirkenden Klanges geht, ist nur die Konsequenz. Diese Interpretation hinterließ Narben auf Tschaikowskys Fünfter.

Eine völlig andere Interpretationshaltung dagegen bei Prokofjews drittem Klavierkonzert in C-Dur op. 26. Gergiev und Solist Markus Schirmer erkämpften sich die Musik nicht, sie schliffen sie gleich einer Brillantherstellung aus dem Klang des Orchesters und dem Steinway heraus. Dies blitzte und blendete, dass es eine Freude war - der rein oberflächlichen Virtuosität setzten die Interpreten aber eine äußerst reiche Palette an Klangfarben entgegen. Zwar wurde Schirmers vor allem im Diskant funkelndes Spiel vom Orchester stellenweise übermalt, sein leichtes Spiel sowie die fließende Motorik standen dennoch in einem ausgewogenen Gegensatz zur orchestralen Wucht. (Robert Spoula / DER STANDARD, Printausgabe, 29.10.2007)