The Lilac Time: "Runout Groove" (Edel)

Foto: Edel
Er verließ die von ihm gegründete New-Romantic-Combo Duran Duran ein Jahr, bevor sie 1980 ihren Durchbruch hatte, komponierte Mitte der 80er-Jahre voller Begeisterung einen Soundtrack zur Partydroge Ecstasy, der sich als obskure Posaunenplatte entpuppte, und gründete vor 20 Jahren die Folkband The Lilac Time, als seine Plattenfirma eigentlich mit einem Dancealbum rechnete. Stephen Duffy (47), das belegen auch diverse hervorragende Alben wie das 1999 erschienene I Love My Friends oder Keep Going (2004), ist einer der ganz großen Exzentriker des Pop. Und Duffy war vor zwei Jahren plötzlich wieder allgemeines Gesprächsthema, als ihn Robbie Williams als musikalischen Di- rektor für sein Album Intensive Care verpflichtete. "Der einzige echte Job, den ich jemals hatte", wie Duffy bemerkt.

Jetzt veröffentlicht er mit seiner Stammband The Lilac Time das Album Runout Groove, ein zu Herzen gehendes Folk-Album, in dessen Booklet schlicht "Thanks for waiting" steht. Dass er sich für Runout Groove eine Eremiten-Existenz verordnete, ist ihm übrigens immer noch anzusehen. Zum Interview mit Uli Karg in München erscheint Stephen Duffy mit einem sagenhaft zerzausten Rasputinbart.

STANDARD: Mr. Duffy, im kommenden Jahr jährt sich die Gründung von Duran Duran zum 30. Mal. Was fällt Ihnen spontan ein, wenn Sie an die Band denken?

Stephen Duffy: Dass sie so anders als geplant und so erfolgreich geworden ist. Und dass ich nicht sagen könnte, dass das die Entscheidungen meines Lebens beeinflusst hätte. Meine Idealvorstellung war immer das Bild eines Mannes mit akustischer Gitarre, der einen Song singt. Die 80er-Jahre waren auch eine ziemlich üble Zeit für Popmusik. Weil alles so weit weg von dieser Einfachheit war. Ich habe mir Don't Look Back von Bob Dylan angeschaut, deshalb wurde Nick Drake so berühmt. Ich habe die meiste Zeit der 80er-Jahre damit verbracht, alte Folkrock-Platten anzuhören und habe mit The Lilac Time eine Band gegründet, die von The Incredible String Band beeinflusst war und solchen Sachen. Völlig unkommerziell.

STANDARD: Und doch haben Sie vor kurzem mit einem der größten Kommerzkünstler überhaupt zusammengearbeitet.

Stephen Duffy: Ja, und soll ich Ihnen was sagen? Als ich mit Robbie Williams in dieser Computer-Umgebung zusammengearbeitet habe, habe ich hauptsächlich Blues gehört, Sachen von Blind Willie McTell, Sunny Boy Williams, Skip James. Weil man wohl immer das krasse Gegenteil dessen sucht, womit man gerade zu tun hat oder was einen gerade umgibt.

STANDARD: Die Zusammenarbeit war trotzdem angenehm für Sie?

Stephen Duffy: Oh ja. Und ich glaube, dass wir ganz gute Arbeit geleistet haben. Vor allem King Of Bloke And Bird ist ein sehr interessanter Song, ebenso wie Advertising Space. Es war eine sehr experimentelle Phase - für ihn. Und wir hatten eine Menge Zeit. Wir hatten, glaube ich, zwei Jahre, um die Platte zu machen. Wir haben Hunderte von Songs geschrieben. Allerdings haben wir nicht Hunderte von Songs zu Ende geschrieben.

STANDARD: Wie war es denn auf Tour mit Robbie Williams?

Stephen Duffy: Die meisten denken wohl, dass es wahnsinnig aufregend ist, vor 90.000 Leuten zu spielen. Aber ich hab noch nie im Background gespielt - und auch noch nicht vor 90.000 Leuten! Wenn ich solo mit meiner Gitarre vor 400 Leuten stehe und singe, dann ist das eine gewaltige Anstrengung für mich, schon allein, sich an die ganzen Texte und Akkorde zu erinnern und das alles auch noch in eine Darbietung zu integrieren. Als Bandmusiker im Hintergrund spüre ich deshalb keine große Verpflichtung, auch wenn ich da was zum Gesamtkrach beitrage. Ich war zuvor ja schon 25 Jahre lang Sänger gewesen. Und ich habe mich immer gefragt, wie es für Leute ist, die im Hintergrund vor sich hinschrammeln. Jetzt weiß ich's.

STANDARD: Werden Sie wieder zusammenarbeiten?

Stephen Duffy: Darüber haben wir nicht gesprochen. Er wollte mehr Dance-Sachen machen. Das hab ich hinter mir. Ich kann mir keine Clicktracks mehr anhören, von Drum-Computern ganz zu schweigen.

STANDARD: Ihr neues Album Runout Groove klingt dann auch wie das genaue Gegenteil dessen, was Sie gerade beschrieben haben.

Stephen Duffy: Im Februar dieses Jahres habe ich mit dem Saufen aufgehört, weil ich völlig klar im Kopf sein wollte. Ein halbes Jahr lang kein Tropfen Alkohol! Währenddessen habe ich dieses Album geschrieben. Nach dem, was ich gerade mit Robbie hinter mir hatte, war die Versuchung sehr groß, einfach mal dazusitzen und ein bisschen rumzuschrammeln. Ich hab das Ganze auf sehr altmodische Art und Weise gemacht. Ich bin einfach ins Studio, hab meine Songs gespielt und den ganzen Technikkram nicht angerührt.

STANDARD: Eine große Gemeinsamkeit mit Robbie Williams gibt's trotzdem: Sie sollen ein großer Fußballfan sein.

Stephen Duffy: Aston-Villa-Fan um genau zu sein! Ich stamme ja aus Birmingham. Reine Nostalgie. Als ich klein war, ist mein Großvater immer mit mir zum Fußball gegangen. Weshalb meine Mutter lange Zeit dachte, dass ein Fußballspiel fünf Stunden dauert. Die meiste Zeit waren wir aber im Pub. Diese Tradition versuche ich aufrecht zu erhalten.

STANDARD: Glauben Sie, dass England die Qualifikation für die Europameisterschaft schafft?

Stephen Duffy: Wenn sie so weiterspielen wie bisher? Hoffentlich nicht! Wir brauchen einen neuen Trainer. Am besten den Typen, der bei Chelsea war. Den schönen José. Der trägt immer so hübsche Gucci-Anzüge. Solche Männer brauchen wir! (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.11.2007)