London - Die US-Marine hat am Freitag mit einem Manöver im Persischen Golf begonnen. Die Fünfte Flotte mit Hauptquartier in Bahrain sollte dabei fünf Tage lang die Reaktion auf eine Naturkatastrophe oder andere Krise in der Region simulieren. An der Übung nahmen der Flugzeugträgerverband um die USS "Enterprise" sowie Lande-Einheiten der Marineinfanterie teil. Der Beginn das Manövers fiel mit Gesprächen der ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates unter deutscher Beteiligung in London zusammen, bei denen über weitere Sanktionen gegen den Iran wegen dessen Atomprogramm beraten wurde.

Zwei Szenarien für Iran-Krieg

Die US-Politik ringt unterdessen hinter den Kulissen um Pläne für einen Krieg gegen den Iran - und mögliche diplomatische Alternativen. Laut "Spiegel Online" liegen im US-Verteidigungsministerium zwei Szenarien in der Schublade.

Der erste, schon länger existierende Angriffsplan sieht ein Bombardement unterirdischer Atomanlagen vor. Die Planer im Pentagon haben vor einiger Zeit eine Liste mit angeblich mehreren tausend militärischen Zielen erstellt - darunter etliche Stellen, an denen Atomanlagen vermutet werden. Außerdem würden wahrscheinlich Flugzeuge der iranischen Luftwaffe und Kommandozentralen der Armee bombardiert, um die Chancen eines Vergeltungsschlages zu begrenzen.

Allerdings gelten die US-Geheimdienstinformationen über Atom- und Militäranlagen im Iran als nicht sonderlich zuverlässig. Viele der auserkorenen Ziele befinden sich in dicht bevölkerten Regionen. Zivilisten könnten durch die Bomben und radioaktives Material zu Schaden kommen. Es gilt als sehr unwahrscheinlich, dass bei einem Luftangriff alle Ziele getroffen werden.

"Chirugische Schläge"

Deshalb kursiert ein zweites Szenario, offenbar von US-Vizepräsident Dick Cheney favorisiert. Es sieht "chirurgische Schläge" mit Präzisionsbomben auf einzelne Einrichtungen vor. Abgefeuert würden sie vermutlich von Schiffen der US-Marine im Persischen Golf. Wichtige Ziele wären die Trainingslager und Waffendepots der iranischen Revolutionsgarden. Zeitgleich würden kleine Einheiten von US-Spezialtruppen vor allem gegen die Ausbildungslager der Revolutionsgarden vorgehen.

Nach Vorstellung der Kriegsbefürworter könnte ein solcher Angriff das iranische Atomprogramm zumindest vorübergehend stoppen und gemäßigte Kräfte im Land stärken - um so das Regime zum Umdenken zu veranlassen.

Kritiker der Militäraktion glauben eher an den gegenteiligen Effekt - nämlich, dass ein solcher Angriff das Regime stabilisieren würde, weil die Bevölkerung sich mit ihm gegen den amerikanischen Aggressor verbünden würde. Zudem würde sich die gesamte islamische Welt durch einen Krieg gegen den Iran angegriffen fühlen.

Tabubruch

Angesichts der wenig erfolgversprechenden Aussichten eines solche Kriegs fordern Experten wie Flynt Leverett von der New America Foundation von den USA "einen Tabubruch zu versuchen - wie einst Nixon und Kissinger bei ihren Verhandlungen mit dem kommunistischen China".

Für eine klarere Fokussierung der Strategie spricht sich auch Jessica Tuchman Mathews aus, die Präsidentin der Carnegie-Stiftung für internationalen Frieden: "Noch will Washington beides: Regimewechsel im Iran und den Stopp des Atom-Programms. So lange das so bleibt, werden andere Nationen zögern, unsere Politik stärker zu unterstützen." (APA/Reuters/red)