Der für die Region so typische arichtektonische Mix aller Epochen: Römisches Amphitheater in Lecce, daneben Gebäude aus der jüngeren Vergangenheit.

Foto: ENIT/Vito Arcomano
Bernardo Bertolucci weiß nicht nur Oskar-prämierte Filme zu machen. Er weiß auch, wo man dazu inspiriert wird. Ganz im Süden des italienischen Stiefels, bei Gallipoli, ließ er sich eine Prachtvilla bauen. Er lebt nicht immer dort. Aber wenn er dringend Ruhe benötigt, um Ideen für seine Filme zu sammeln, zieht er sich in seine Oase zurück. Er ist nicht der Einzige: Politiker wie Italiens Vizepräsident Massimo D'Alema und angeblich auch Regierungschef Romano Prodi haben auf der flachen Kalkinsel am Ionischen Meer eine Bleibe gefunden. Schließlich haben schon die Griechen die vor über 2500 Jahre gegründete "kalè polis", die schöne Stadt genannt.

Von Gallipoli aus führen wunderbare Strandspaziergänge in die benachbarten Ortschaften. Von hier aus kann man aber auch stundenlang durch Olivenhaine radeln, jetzt im Spätherbst ist das ein besonderes Vergnügen.

Der Salento, der südöstliche Teil Apuliens, hat sich in den letzten Jahren zu einer beliebten Destination der Italiener selbst entwickelt. Noch sind die unbestrittenen Vorteile des Individualtourismus nämlich hauptsächlich den zahlreichen Gästen aus Mailand, Rom und Turin vorbehalten. Natürlich verirrt sich manch ein Philologe hierher, denn im Salento wird man nicht mit "Benvenuto", sondern mit "kalòs irtate" begrüßt. So sagt man in "griko", um jemanden willkommen zu heißen.

Griechen-Land

Elf Gemeinden der sogenannten "Grecìa salentina" haben sich inzwischen zusammengefunden und durchgesetzt, dass ihre auch vom Lateinischen beeinflusste Form des Griechischen weiterhin in den Schulen gelehrt und vom Gesetz als sprachliche Minderheit anerkannt wird. "Eigentlich wollen wir eine autonome Region sein", hört man immer wieder. Schließlich seien die Leute hier "anders" als im übrigen Apulien.

Diese Andersartigkeit bedingt durch Einflüsse der Griechen, Spanier, Franzosen und Sarazenen spiegelt sich nämlich nicht nur in Sprache, Kultur und Gastronomie wider, sondern auch im Wunsch, dieses Erbe zu bewahren. So sind die Salentiner eine der wenigen im Mezzogiorno, welche die aus den EU-Strukturfonds erhaltenen Millionenbeträge auch tatsächlich für die Restaurierung ihrer Schlösser und Festungen nutzten.

Die östlichste Stadt Italiens, Otranto, wurde einst zur strategisch wichtigsten Außenstelle von Byzanz, bevor es im 15. Jahrhundert von den Türken erobert wurde. Der beste Beweis für den hier überall anzutreffenden Kultur- und Religionssynkretismus zwischen Okzident und Orient, zwischen Antike und Mittelalter, ist die Kathedrale von Otranto, mit ihrem fantastischen, aus bunten Kalksteinen zusammengesetzten mittelalterlichen Fußbodenmosaik.

Musikalisch findet das kulturelle Mosaik des Salento in dem Tanz "pizzica" ihren Niederschlag. Der Ort Melpignano avancierte inzwischen zum Mittelpunkt des Pizzica-Festivals. Rund zwei Wochen lang touren Tänzer und Musiker im Hochsommer durch den Salento und treffen sich dann am triumphalen Abschlussabend "Notte della Taranta" in Melpignano. Längst hat die Pizzica-Musik mit anderen Musikformen, vom Rock über den Jazz bis zur Symphonik, fusioniert. Dies ist nicht zuletzt ein Grund, weshalb über 100.000 Musikliebhaber jährlich zum Pizzica-Festival pilgern.

Barock in Butter

Für Barockfans ist Lecce, die 100.000 Einwohner zählende Hauptstadt des Salento, ein Begriff. Wie in Butter geschnitten zeigen sich hier die einzigartigen Barockbauten, die Basilica Santa Croce und das benachbarte Cölestiner-Kloster, Palazzo die Celestini aus dem 17. Jahrhundert. Ein Rundgang durch den Dom und durch das Kloster ist ein absolutes "Muss". Denn die Steinmetze haben hier ihrer Fantasie mit einer unglaublichen Dekorvielfalt und Kunstfertigkeit freien Lauf gelassen. Den Spaziergang durch die Innenstadt von Lecce sollte man jedenfalls am Abend unternehmen, dann nämlich färben sich die strahlend weißen Barockbauten in ein suggestives, leichtes Gelb.

Die hervorragenden Speisen des Salento werden natürlich zum Großteil mit dem hier gewonnenen, exzellenten Olivenöl zubereitet. Frischer Fisch steht immer auf der Tagesordnung, beim Fleisch sind vor allem Innereien eine Spezialität. Ein besonderer Käse nennt sich hier "Cacciocavallo", der ähnlich wie Kuhmilchmozzarella zubereitet wird - der Schafskäse "Canestrato" zählt zu den hervorragendsten. Dazu wird etwa der Rotwein "Salice Salentino Donna Lisa" oder aber der "Primitivo del Salento Villa Larena" getrunken.

Geheimtipp ist die im Landesinneren (Cornigliano d'Otranto) gelegene Masseria Appidé, ein ehemaliges Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert, in dem man nicht nur kulinarisch verwöhnt wird, sondern zu relativ passablen Preisen fürstlich übernachten, golfen und reiten kann.

Für die Anreise in den Salento bieten sich die Airports Bari und Brindisi an. Sie werden von Wien aus am besten von der Alitalia bedient, die durchschnittlichen Preise liegen zwischen 300 und 400 Euro hin und retour, inklusive aller Gebühren, ein Mietwagen kann mitgebucht werden. (Thesy Kness-Bastaroli/Der Standard/Printausgabe/3./4.11.2007)