Wien - Spätestens seit dem Literaturnobelpreis an Orhan Pamuk im vergangenen Jahr und der Einladung der Türkei als Gastland zur Frankfurter Buchmesse 2008 ist klar: Die türkische Literatur befindet sich im Aufwind. Dem wird am kommenden Wochenende auch in Wien Rechnung getragen, wenn die Alte Schmiede von 9. bis 11. November zur "Literatur im Herbst" mit zwölf türkischen Autoren ins Wiener Odeon lädt.

Die heutige türkische Literatur habe ein "breites Spektrum von Sujets, Formen und Meinungen" zu bieten, meinen die Veranstalter. Mit der Liberalisierung von Politik und Gesellschaft seit dem letzten Putsch im Jahre 1980, habe sich die literarische Szene der Türkei rasant gewandelt. Sozialer Realismus und "Dorfliteratur" der 50er und 60er Jahre, aber auch das in den 70er Jahren florierende experimentelle Schreiben mit Fokus auf die urbane Türkei sei mittlerweile überkommen, aktuelle Autoren richten ihren Blick nach außen und sehen sich als Teil der Weltliteratur.

Faruk Duman, Sema Kaygusuz und Ayfer Tunc, sowie Nalan Barbarosoglu, die sich mit experimentellen Erzählungen über die Einsamkeit des Großstadtmenschen einen Namen machte, und Murat Uyurkulak, der sowohl durch seine Sprachkunst, als auch durch seine politischen Bezüge in seinem Roman "Brand" als wichtigste Stimme der literarischen Avantgarde gilt, vertreten die jüngere, im deutschen Sprachraum noch unbekannte Autorengeneration. Etablierte Namen gibt es mit Murathan Mungan, Nedim Gürsel, Hasan Ali Toptas oder Nese Yasin zu nennen, deren Werk auch beispielhaft für wichtige Strömungen und vorherrschende Themen der türkischen Literatur ist.

Mungan setzt sich in seinem umfangreichen Schaffen mit der Multikulturalität und ethnischen Vielfalt der Türkei auseinander, indem er Sagen und Lieder aus der kurdischen, arabischen und türkischen Mythologie verarbeitet. Er reiht sich damit unter jene, immer lauter werdenen Stimmen, die die Lage der Türkei zwischen Ost und West und den daraus resultierenden Identitätskonflikt als kulturelle Bereicherung wahrnehmen. Nedim Gürsel gilt neben Orhan Pamuk als der prominenteste Autor, der sich mit der osmanischen Geschichte des Landes beschäftigt, die zypriotische Vergangenheit wird mit der wichtigsten Vertreterin der "1974er Generation" türkisch-zypriotischer Literatur, Nese Yasin, thematisiert. Ihr berühmtestes Gedicht gilt als inoffizielle Hymne der Wiedervereinigung in beiden Teilen der Insel.

Als Begleitprogramm zu den Lesungen gibt es Einführungen von österreichischen und deutschen Turkologen, eine Podiumsdiskussion zum Thema "Verdrängte Geschichte(n)", sowie eine Fotoausstellung von Mehmet Emir, der seine fotografischen Reisen der vergangenen 20 Jahre zwischen Wien, Istanbul, Ankara und seinem Heimatdorf Zimik präsentiert. (APA)