Wer braucht mobiles Fernsehen? Auch die Teilnehmer an der Salzburger Podiumsdiskussion sind sich da nicht einig. Von links nach rechts: Unternehmensberater Stefan Jenzowsky, ORF-Projektleiter Hubert Nowak, Moderator Werner Lauff, Medienforscher Jo Groebel, Fernsehproduzent Gert Zimmermann und RTR-Projektleiter Andreas Kunigk.

Salzburg – "Gegenfrage: Wer braucht Gummibärli?" – So reagiert der Handy-TV-Beauftragte des ORF, Hubert Nowak, auf die Frage, wer das mobile Fernsehen eigentlich brauche. "Unsere Konsumgesellschaft ist voll mit Gütern, die wir nur brauchen, weil es sie gibt. Wir werden auch mobiles Fernsehen einmal brauchen, weil es das gibt", sagte er am Montag bei einer Podiumsdiskussion beim jährlichen Salzburger Medientag. Überfragt ist auch der deutsche Fernsehproduzent und Berater Gert Zimmermann, wenn es um die zukünftigen Inhalte geht: "Wenn ich das wüsste, dann würd ich’s produzieren." Für Nowak ist nur eines klar: "Es wird völlig anders sein, als wir glauben."

"Versuch und Irrtum"

Medienforscher Jo Groebel hält die Entwicklung von Handy-Fernsehprogrammen "unweigerlich" für "eine Frage von Versuch und Irrtum". Allerdings gebe es tragbares Fernsehen in verschiedenen Formen schon seit Jahrzehnten, es habe sich nie richtig durchgesetzt, auch nicht mit der UMTS-Technologie auf Handys. Dennoch "werden wir uns eines Tages überhaupt nicht mehr Gedanken drüber machen, ob das fix oder mobil ist. Für uns ist es dann selbstverständlich, dass man in jeder Situation alles bekommt."

45 Minuten täglich

ORF-Mann Nowak fasste die Ergebnisse des Testbetriebs im Frühjahr in der Wiener Innenstadt zusammen: Die etwa 1.000 Testnutzer sahen am Handy vor allem zu Hause am Vorabend fern. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass die Tester ein Protokoll schreiben mussten, und das sei daheim nach der Arbeit am bequemsten. Die durchschnittliche Nutzungsdauer lag bei etwa einer Dreiviertelstunde, aufgeteilt in drei Blöcke. Das deckt sich mit den Prognosen von Medienwissenschaftler Groebel, der ein Potenzial von 20 bis 60 Minuten sieht.

Pornos am Handy

Unternehmensberater Stefan Jenzowsky sieht die Chance für Handyfernsehen vor allem morgens, mittags und in öffentlichen Verkehrsmitteln. Außerdem bei Kindern, die eigentlich nicht mehr fernsehen dürften und dann am Handy im Kinderzimmer weiterschauen. Und: "Die Nutzung im pornografischen Bereich ist sehr hoch, das will ich Ihnen auch nicht verschweigen." Aktuelle Kurzinformation könnte attraktiv sein, glaubt Hubert Nowak. Schnelle Wirtschafts- und Politiknachrichten am Handy zu sehen, hätte das Zeug zum Statussymbol, meint er.

Geldbringer gesucht

"Es fehlt die Killerapplikation", bringt Produzent Zimmermann die Diskussion auf den Punkt. Es könne im Moment niemand seriös vorhersagen, was die Leute vor die Handybildschirme bringt – und welche Angebote Geld in die Kassen der Anbieter spülen werden. "Das könnten Wetten sein – ganz blöd – oder auch Call-in-Sendungen."

"Das wird keinen reich machen"

Auch für Andreas Kunigk, der bei der österreichischen Regulierungsbehörde RTR für die Einführung von mobilem Fernsehen nach dem DVB-H-Standard zuständig ist, sind "die Geschäftsmodelle weitestgehend noch ungeklärt". Wunschpreis der Seher im Testbetrieb seien fünf bis sieben Euro monatlich, "das wird am Anfang keinen Programmanbieter reich machen. Ich glaube, wer’s gut brauchen kann, sind die Mobilfunker, denn die können dann irgendwann ihre UMTS-Investitionen retten." Aber wenigstens gebe es bei Handys die Tradition, für Leistungen auch zu bezahlen, ergänzt Jo Groebel. Geschäftsmodelle seien einfacher zu entwickeln als im Internet.

Regelbetrieb im Frühjahr

Bis 14. Dezember läuft die Ausschreibung für den Netzbetreiber des Handyfernsehens in Österreich. Bewerber – etwa Mobilfunkbetreiber oder die ORF-Sendetechniktochter ORS – müssen ein fertiges Programmangebot vorlegen. "Das heißt, wir haben dann ein Rundum-sicher-Paket", sagt RTR-Projektleiter Kunigk. Das wird auch nötig sein, denn laut Kunigk wird der Netzbetreiber erst mit 1. März feststehen; zwischen Ostern und Mai soll dann schon der Regelbetrieb starten, damit es rechtzeitig zur Fußball-Europameisterschaft im Juni eine gewisse Anzahl von Nutzern gibt. Die Sendeplattform wird etwa 15 Kanäle umfassen; ORF 1, ORF 2 und ATV sind (wenn sie sich bewerben) auf jeden Fall dabei. Der ORF plant außerdem, einen eigenen Mobil-Kanal zu starten. (Markus Peherstorfer, derStandard.at, 6.11.2007)