Tipp
Mittwoch 14.11.2007, 17.45 Uhr, Literaturcafé

Sarah Wiener, "Die Frau mit dem gewissen Biss", stellt im Rahmen der Wiener Buchwoche im Rathaus ihr Kochbuch vor.

Nachlese
Sarah Wiener im Chat: "Ich hab' nicht nur ein Lieblingsessen"

Gewinnspiel
Wir verlosen 5 Exemplare von "Das große Sarah Wiener Kochbuch" mit Grußkarte der Starköchin

Buchcover: Knaur

>>>Das Rezept zum Nachkochen

Foto: Jürgen Bauer
Foto: Jürgen Bauer
Foto: Jürgen Bauer
Haben Sie schon einmal ein Kochbuch rezensiert? Nein? Ich gestehe, ich auch nicht. Trotzdem habe ich mich - personell unterstützt - daran gewagt. Mittels "Stichprobe", auch wenn damit nicht das Anpieksen von süßem Backwerk, sondern vielmehr und ursprünglich die Probe flüssigen Eisens bezeichnet wird, nähern wir uns dem "Großen Sarah Wiener Kochbuch".

"Blumenkohl" und "Pfifferlinge"

"Stichprobe" meint in unserem Fall, ein Rezept aussuchen - nur eines. Das ist bei einem 270-Seiten Buch und etwa geschätzen 140 Gerichten ein mühsames Unterfangen, soll doch nicht nur gekocht, sondern auch verkostet werden - hat auch mit der Tagesverfassung, dem entsprechenden Gusto und der Verfügbarkeit der Lebensmittel zu tun. Wenn man es zeitlich nicht mehr bis zum Naschmarkt (oder einem ähnlich gut sortierten Markt) schafft, sollte von manchen Gerichten lieber gleich die Finger gelassen werden. Denn Sarah Wiener legt Wert auf die Qualität der verwendeten Lebensmittel. Wiener liebt es, "gut zu essen" und das "gute Essen", gelingt eben nur "mit ganz frischen Zutaten, mit reifem Obst und knackigem Gemüse", erklärt sie im Vorwort ihres vorrangig auf den deutschen Kochbuch-Markt ausgerichteten Werks, wie "Blumenkohl" und "Pfifferlinge" erkennen lassen.

Deswegen kein "Forellen-Mousse mit Sauerampfer und Kapuzinerkresse", obwohl uns die orangefarbenen Kresseblüten vom Foto so nett entgegenlachen und unsere Geschmacksknospen beginnen so etwas wie Erinnerungen auszuspucken. Jedoch, im November blüht hierzulande einfach nichts mehr. Und leider war auch die gute Kalbsleber schon aus, die meinem kochenden Mitstreiter gefallen hätte und die Wiener zwar klassisch mit Apfel und Speck zubereitet, aber raffiniert mit Calvados und Quittengelee veredelt. Es wurde also die alljahrestaugliche "Truthahnroulade mit Kirschtomaten" um die viele frische Kräuter wie Rosmarin und Salbei herumtanzen. (>>>Rezept hier nachzulesen).

Küchengarn und Spagat

Für zwei talentierte Aus-dem-Bauch-Köche erwies sich nur die fehlende ausgefeilte Kochtechnik als hinderlich, denn der verwendete glückliche Truthahn hatte nach unserem Zuschnitt weder das ideale Format zum Rollen, noch konnte er - in Ermangelung geeigneten Geräts - zurechtgeklopft werden. Dank brutal-improvisierter Knüpf- und Wickeltechnik verwandelte sich das Geflügel in einen Bondage-Puter, der sich zwar nicht so elegant wie jener Wieners ausmachte, aber zumindest die gleiche leckere Farbe bekam. "Küchengarn" war übrigens auch gerade nicht zur Hand... - aber garantiert kunststofffreier Spagat tut es mindestens genauso gut.

Sarah Wiener, die sich mittlerweile auf vielen TV-Kanälen vor und hinter dem Herd für das gute Essen einsetzt, erklärt ihre Gerichte, die sie klassisch nach Vorspeisen, Suppen, Hauptspeisen (Fleisch, Geflügel, Fisch, Vegetarisches, Mehlspeisen) und Nachspeisen gegliedert und mit einem ausgeszeichneten Register versehen hat, stets in wenigen, meist drei bis sechs einfachen und leicht zu merkenden Schritten. Auch die Tipps, die sich auf Rezeptvarianten und Warenkunde beziehen und mit denen sie die meisten Rezepte versieht, erweisen sich als nützlich.

Bei "unserer" Truthahnroulade hätten wir aber doch noch gerne gewusst wie hoch die mittlere Temperatur - so ungefähr wenigstens - beim "Schmoren" ist. Denn "Schmoren" soll zu den "schwierigsten Grundzubereitungsarten" gehören und kommt in der Alltagsküche, die vor allem schnell gehen soll, doch eher seltener vor. Aber wir ziehen - wie so oft - das Internet zu Rate und erfahren, dass das Schmorstück nach dem heißen Anbraten bei 100 bis 175 Grad in den Ofen kommt. Trotz der heißesten Variante sahen unsere Kirschparadeiser nicht so lecker schrumpelig aus, wie die Kirschtomaten von Wiener (siehe Foto). Daher stiegen wir zuletzt vom Schmoren aufs Braten um...

Rosmarin und Salbei

Das Ergebnis sieht dem von Sarah Wiener erstaunlich ähnlich, befanden wir und waren auch von dem zarten Geschmack des mit Schinken und gehackten grünen Oliven gefüllten Geflügels und insbesondere von dem herrlich nach Rosmarin mundenden Bratensaft (oder heißt das jetzt "Schmorsaft"?) äußerst angetan.

Zwei weitere Erkenntnisse gewannen wir aber auch. Die erste davon ist für den Nachkochenden üblicherweise nachrangig: Wir wissen, warum Sarah Wiener die Beilage - Püree aus roten Linsen - nicht fotografiert hat. Denn man kann Linsenpüree nicht fotografieren ohne dass es nach ... aussieht. Wir haben es ehrlich versucht und wir zeigen ihnen die Ergebnisse nicht, weil wir ihnen ja nicht den Appetit verderben wollen.

Aber Essen soll ja laut Wiener nichts "hermachen", sondern einen guten Geschmack haben. Womit wir bei der zweiten Erkenntnis wären: Bei jener, dass Linsenpüree mit in Butterschmalz angebratenem Knoblauch intensiv (auch mit viel viel viel weniger der stinkenden Knolle) und sehr würzig schmeckt und sich ausgesprochen gut mit Kreuzkümmel verträgt. Obendrein sind die Linsen sehr viel schneller weich als in den angegebenen 15-20 Minuten Kochzeit. Aber - ja tatsächlich! - eben wegen dieser Intensität harmoniert es, unserer Meinung nach, nicht so gut mit dem zarten Truthahn. Wir werden es beim nächsten kräftigen Gulasch oder scharfem Curry aber wieder mit dem Püree versuchen. Denn wir halten es so wie Sarah Wiener: Wir gehen immer wieder gerne bei uns selbst in die Lehre und "Kochen lernt man nur durch Kochen." (Anne Katrin Feßler, Fotos und Co-Koch: Jürgen Bauer, derStandard.at, 7.11.2007)