Bild nicht mehr verfügbar.

Gerade Linien,...

Foto: APA/EPA/Cezaro De Luca

Bild nicht mehr verfügbar.

...raffinierte Schnitte, ...

Foto: APA/EPA/Jens Kalaene

Bild nicht mehr verfügbar.

... schimmernde Materialien, wenige Farben

Foto: APA/AP/Markus Schreiber

Bild nicht mehr verfügbar.

So präsentierte Designer Ingo Wilts die Boss-Frühjahrs-Sommerkollektion in New York.

Im Bild: Bruno Sälzer

Foto: APA/Ap/Thomas Kienzle

Mitte der Neunzigerjahre stieg Bruno Sälzer (50) bei Hugo Boss ein, 2002 übernahm er von Werner Baldessarini den Vorstandsvorsitz. Seither ist im schwäbischen Metzingen viel passiert: Hugo Boss wurde ein internationaler Multimarken-Luxuskonzern. Vom Image des etwas faden Herrenausstatters von einst hat man sich weit entfernt - auch wenn das wichtigste Geschäftsfeld noch immer Businesskleidung (Boss Black) ist. Durch enormen Marketingaufwand formte Sälzer Boss zum Lifestyle-Unternehmen, Schuhe und Taschen produziert man mittlerweile selbst, die anfangs verlustbringende Damenlinie entwickelt sich sehr gut. Auf den internationalen Modeschauen ist Boss nicht vertreten:

Einige Male im Jahr richtet man dafür riesige Modeevents aus, die in der Branche als die weltweit spektakulärsten Modepartys gelten. Für den amerikanischen Markt veranstaltete man Mitte Oktober in New York ein Event rund um Boss Black. Im Sommer wurde Hugo Boss von der Private-Equity-Gruppe Permira übernommen.

Aus dem Training am Morgen wurde nichts. Ins Chelsea Piers, einem der berühmtesten Fitnessklubs der Welt, wollte Bruno Sälzer noch gehen, bevor er sich mit dem Standard zum Interview traf. Aber nach der langen Party am Vorabend verschläft auch jemand wie der für seine Fitness bekannte Herr über Hugo Boss schon einmal.

Im neoklassizistischen Cunard-Gebäude im Financial District von Manhattan hatte das Unternehmen aus dem schwäbischen Metzingen zur pompösen Modeschau mit anschließender Riesen-Party geladen. Mit allem was dazugehört: Promis, Champagner und Woody Allen als Partyeinlage. Wir treffen Herrn Sälzer in der Bar des Gansevoort Hotels im Meatpacking District.

DER STANDARD: Es heißt, dass Sie nach ein paar Minuten bereits wissen, ob eine Party gut ist. Was hat das Partymeter gestern gesagt?

Bruno Sälzer: Ich merke das meistens schon vorher. Man schaut sich an, welche Leute sich für Partys interessieren, wer zu- und wer absagt. Und wenn die Party mal angefangen hat, dann spüre ich das einfach.

DER STANDARD: Was haben Sie gestern gespürt?

Bruno Sälzer: Dass die Location gut ankommt. Licht, Atmosphäre, das hat alles gepasst.

DER STANDARD: Auch für New Yorker Verhältnisse?

Bruno Sälzer: Das Level ist hier weltweit am höchsten. Wer es hier schafft, der schafft es überall.

DER STANDARD: Bei der Modeschau im Vorfeld saßen viele Promis in der ersten Reihe. Bei der Party danach habe ich nur mehr die Klitschko-Brüder gesehen. Schade, oder?

Bruno Sälzer: Man kann nicht erwarten, dass Prominente länger als notwendig bleiben.

DER STANDARD: Setzen Sie das doch vertraglich fest!

Bruno Sälzer: Da werden keine Verträge gemacht.

Andere Unternehmen machen das, wir nicht. Das sind über Jahre gewachsene Freundschaften.

DER STANDARD: Mit Verlaub, warum sollte jemand wie Julianne Moore oder Kate Winslet zum Kreis der Hugo-Boss-Freunde gehören wollen?

Bruno Sälzer: Unterschätzen Sie nicht, dass Promis auf Öffentlichkeit angewiesen sind. Wir bieten ein Forum auf sehr hohem Niveau.

DER STANDARD: Sie haben gestern ein Mode-Event gemacht und wir sprechen hier über Promis. Eigentlich schade, dass Promis in der Wahrnehmung alles andere überlagern.

Bruno Sälzer: Wir brauchen die Promis, die Gerüchte, wer kommt, und die Fotos anschließend in den Medien. Promis gehören einfach zur Mode dazu.

DER STANDARD: Hier in den USA war das immer schon so, in Europa haben wir diese Haltung erst in den vergangenen Jahrzehnten übernommen. Boss ist sehr auf dieses Mode-als-große-Party-Modell aufgesprungen.

Bruno Sälzer: Genau, wir gehörten zu den Ersten, die das gemacht haben. Mode ist einfach ein Teil der Unterhaltungsindustrie.

DER STANDARD: Weil Sie ein besonders amerikanisierter Konzern sind?

Bruno Sälzer: Zumindest haben wir auf die USA immer einen Schwerpunkt gelegt. Hier ist unser zweitstärkster Markt. In Kanada oder Mexiko können Sie nach ihren eigenen Regeln spielen, nicht in den USA.

DER STANDARD: Worin bestehen diese US-Regeln?

Bruno Sälzer: Die Amerikaner richten sich in Geschmacksfragen nach sich selbst.

DER STANDARD: Im deutschsprachigen Raum eilt Hugo Boss ein mitunter wenig schmeichelhafter Ruf voraus. Laut Eigendefinition stellten Sie früher "Arbeitskleidung für Männer" her. Ist es im Ausland einfacher, sich ein neues, frischeres Image zu verpassen?

Bruno Sälzer: Der deutsche Markt war immer mit Abstand der größte für uns. Und der deutsche Markt ist kein Luxusmarkt. Der Deutsche kauft den Anzug, weil er denkt: Das ist der beste Anzug! Im Ausland müssen wir den Nachweis erbringen, dass wir zur Modewelt dazugehören. Vor allem hier in den USA: Entweder man kennt sich hier aus, oder man hat verloren.

DER STANDARD: Und werden Sie hier akzeptiert?

Bruno Sälzer: In den USA muss man einen gewissen kommerziellen Erfolg haben, um einen Hype erzeugen zu können. Den haben wir. Das gestrige Event war dazu da, um unsere Frauenlinie in den Vordergrund zu rücken. Wir hatten 400 amerikanische Journalisten da.

DER STANDARD: Die mussten Sie nicht extra einfliegen ...

Bruno Sälzer: Nee, dafür jene aus Europa und aus Asien. Erfolg haben wir, wenn die Marke mit mehr Mode aufgeladen wurde: wenn sie weiblicher geworden ist.

DER STANDARD: Letzteres hat man Ihnen lange nicht abgenommen. Als Sie 2000 mit einer Frauenlinie starteten, lief das Ganze schief.

Bruno Sälzer: Die Erwartungen des Marktes waren extrem hoch, wir konnten den Markt nicht still und leise testen. Unsere eigene Stilsicherheit konnte nicht mithalten.

DER STANDARD: Sie meinen die Qualität?

Bruno Sälzer: Die Passform war nicht gut. Heute würde ich sagen, es waren keine schlechten Kollektionen, aber es waren keine Boss-Kollektionen.

DER STANDARD: Sie haben Ihre Kollektionen damals auf den Modeschauen in Mailand gezeigt. War das eine Liga zu hoch für Boss?

Bruno Sälzer: An dem lag es nicht. Es waren wirklich die Passformen, die Stoffe, die Preislagen, die generelle Ausrichtung. Das alles haute nicht hin.

DER STANDARD: Wenn Frauenmode so schwierig ist, warum machen Sie sie dann überhaupt? Ihre Männerlinien laufen doch gut.

Bruno Sälzer: Weil Frauen mehr mit Mode zu tun haben als Männer. Um einen gesamten Lifestyle anzubieten, braucht man das Frauen-Segment.

DER STANDARD: Auch Männer sind mittlerweile starke Lifestyle-Kunden.

Bruno Sälzer: Dem entsprechen wir auch. Unsere Männermode ist viel modischer geworden. Der Boss-Anzug heute ist eine Modeaussage, das ist nicht mehr der Business-Anzug von früher.

DER STANDARD: Der Markt für Bekleidung stagniert ...

Bruno Sälzer: ... aber jener für Accessoires wächst sehr stark. Da können wir mit unserer Damenlinie jetzt mitmischen.

DER STANDARD: Die Mode entwickelt sich in Wellen. Wann flaut der Accessoires-Boom wieder ab?

Bruno Sälzer: Diese Gefahr sehe ich nicht. Es kann sein, dass die Wachstumsraten zurückgehen, aber der Markt wird groß bleiben.

DER STANDARD: Bei Hugo Boss hat man die Designer nie in den Vordergrund gerückt. Jetzt haben Sie den Belgier Bruno Pieters für Hugo engagiert. Ein Kurswechsel?

Bruno Sälzer: Nein, wir wagen bei Hugo jetzt einen anderen Weg. Bei Boss wäre das nicht vorstellbar. Unser Punkt ist: Wir wollen modischer werden.

DER STANDARD: Ein Promi-Designer bei Boss. Ist das vorstellbar?

Bruno Sälzer: Wir sind auf unserem Weg ja sehr erfolgreich. Ich denke, dass das zu unserer Kultur einfach nicht passen würde.

DER STANDARD: Das Baldessarini-Label haben Sie verkauft. Warum haben Sie dort nicht mehr investiert?

Bruno Sälzer: Wir haben sehr viel investiert. Aber wenn eine Marke nach 13 Jahren nur 17 Millionen Umsatz macht, dann muss man sich von ihr trennen.

DER STANDARD: Unter Ihrer Führung wurde Boss komplett umgekrempelt. Aus der Ferne sieht es so aus, als ob Sie den Konzern wie auf einem Reißbrett entworfen hätten.

Bruno Sälzer: Das Wort Reißbrett gefällt mir nicht. Hugo Boss war schon immer erfolgreich mit seiner Business-Mode ...

DER STANDARD: ... die hatte ein arg verstaubtes Image.

Bruno Sälzer: Genau. Und da musste etwas getan werden. Business-Mode allein reicht nicht. Wir mussten das Ganze modischer machen. Der Anzug bei Boss ist erst durch den Erfolg der Frauenmode, der Accessoires, durch den Erfolg solcher Veranstaltungen wie hier in New York attraktiver geworden. Die Idee war, zu den ganz großen Lifestyle-Marken aufzuschließen.

DER STANDARD: Dabei haben Sie auf Stars und Glamour gesetzt. Das wird in Zukunft unter Ihrem neuen Besitzer, dem britischen Finanzinvestor Permira, schwieriger werden, oder?

Bruno Sälzer: Warum? Soft-Faktoren wie Kreativität, Innovation, Mode als Zeitgeist usw. sind extrem wichtig in diesem Geschäft. Sie muss man verstehen. Aber Mode ist nicht abgekoppelt von den üblichen wirtschaftlichen Mechanismen.

DER STANDARD: Permira besitzt u. a. einen Chemiekonzern. Mit Mode hatten die Manager dort noch keinen Kontakt. Wie wollen Sie ihnen die Eigenheiten der Modebranche erklären?

Bruno Sälzer: Klar ist Kreativität nicht deren Arbeitsschwerpunkt. Man hat dort keine Ahnung vom Modegeschäft, aber als man ins Chemiegeschäft einstieg, hatte man auch davon keine Ahnung. Derzeit ist es aber noch zu früh darüber zu sprechen.

DER STANDARD: Ein Event wie gestern kostet Millionen. Kommen Sie angesichts dieser Beträge in Zukunft in Erklärungsnotstand?

Bruno Sälzer: Auf so einer Ebene muss ich das glücklicherweise nicht erklären. Das fällt unter die Gesamtausgaben fürs Marketing.

DER STANDARD: Ihre Marketingausgaben werden aber höher liegen als beim Chemiekonzern.

Bruno Sälzer: Natürlich, Modeunternehmen sind Marketingunternehmen. Das ist nun einmal so. (Stephan Hilpold/Der Standard/rondo/09/11/2007)