Einen König dabei zu beobachten, wie ihm vor laufender Kamera der Kragen platzt, kommt nicht jeden Tag vor. Ausgerechnet Spaniens langgedienter König Juan Carlos verlor beim Iberoamerika-Gipfel in Chile die Contenance, als Venezuelas Präsident Hugo Chávez eine Rede des spanischen Ministerpräsidenten José Zapatero zu unterbrechen versuchte. „Warum hältst du nicht den Mund“, schrie er Chávez an.

Chávez hatte sich wieder einmal im Ton vergriffen und zuvor den konservativen ehemaligen spanischen Regierungschef José Maria Aznar als „Faschisten“ bezeichnet. Auch wenn man berücksichtigt, dass das Wort Faschist in Südamerika häufig als Schimpfwort verwendet und ihm nicht die Bedeutung wie in Europa beigemessen wird, so war der Hinweis von Zapatero, man müsse die „Grundprinzipien des Respekts“ wahren, berechtigt. Es war an der Zeit, dass Chávez, der glaubt, das alleinige Recht des Austeilens für sich gepachtet zu haben, einmal in die Schranken gewiesen wird.

Chávez strebt eine Vorherrschaft in Lateinamerika an und beansprucht für sich eine größere Rolle in der Weltpolitik. Im Moment ist in der Region niemand in Sicht, der ihm Paroli bietet. Brasiliens Präsident Lula da Silva ist seit seiner Wiederwahl erstaunlich ruhig, Chiles Präsidentin Michelle Bachelet hat mit innenpolitischen Problemen zu kämpfen. In Argentinien muss sich die gewählte Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner nach ihrer Angelobung im Dezember erst einarbeiten.

Die Streitereien belasteten nicht nur den Iberoamerika-Gipfel, sondern führen auch dazu, dass der notwendige Einigungsprozess in Lateinamerika praktisch zum Erliegen gekommen ist. Aber nur wenn die Staaten der Region – etwa bei Verhandlungen mit den USA und der EU über eine Öffnung der Agrarmärkte – mit einer Stimme sprechen, haben sie ein starkes Gewicht und können etwas erreichen. (Alexandra Föderl-Schmid/DER STANDARD, Printausgabe, 12.11.2007)