Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky

DER STANDARD: Wie soll in Zukunft das Verhältnis von staatlichen und persönlichen Beiträgen sein (zum Beispiel: Wer zahlt die Gebärmutterhalskrebs-Impfung)?
Kdolsky: Die solidarische Finanzierung des Gesundheitssystems sichert dessen hohe Leistungsfähigkeit ab, und im Vergleich zu anderen Systemen hat Österreich einen sehr niedrigen Privatanteil. Ein Beweis für die soziale Verantwortung, die wir im Gesundheitssystem übernehmen, ist die kürzlich beschlossene Rezeptgebührendeckelung.
DER STANDARD: Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie von einem Arzt behandelt werden, der seit 24 Stunden im Dienst ist?
Kdolsky: Als langjährige Spitalsärztin weiß ich, was Spitalsärzte leisten und welchen hohen physischen und psychischen Belastungen sie bei der Arbeit ausgesetzt sind. Das Krankenanstaltenarbeitszeitgesetz ist hier eine wichtige Errungenschaft. Um die Ärzte künftig stärker zu entlasten, forcieren wir unter anderem den Einsatz von E-Health.
DER STANDARD: Hätten Sie Angst vor dem Aufnahmetest für das Medizinstudium?
Kdolsky: Nein, Aufnahmetests sind ein wichtiges Instrument, um die Eignung für ein so forderndes Studium festzustellen. Wichtig ist dabei aber, dass relevante Kriterien abgefragt werden, die die Erhebung der fachlichen und persönlichen Eignung ermöglichen.
DER STANDARD: Wenn Sie eine Maßnahme im Gesundheitssystem sofort eigenmächtig umsetzen könnten - welche wäre das?
Kdolsky: Großes Ziel ist die Auflösung der dualen Finanzierungsstruktur, bei der die Länder und Gemeinden den stationären Bereich und die Krankenkassen den niedergelassenen Bereich finanzieren. Künftig sollen alle Financiers an einem Tisch sitzen und gemeinsam die Weichen für eine wohnortnahe, hochqualitative Versorgung sicherstellen.
DER STANDARD: Was muss einnahmenseitig getan werden, um das Gesundheitssystem langfristig abzusichern?
Kdolsky: Einnahmenseitig wurde vor kurzem eine moderate Beitragsanhebung von 0,15 Prozent ab 2008 beschlossen, die dem Gesundheitssystem 150 Millionen Euro bringt. Und die Sozialpartner haben sich verpflichtet, im gleichen Ausmaß von 150 Millionen Euro Effizienzpotenziale zu nutzen. Wichtig ist ein optimaler Mitteleinsatz.


Ärztekammer-Präsident Walter Dorner

DER STANDARD: Wie soll in Zukunft das Verhältnis von staatlichen und persönlichen Beiträgen sein (zum Beispiel: Wer zahlt die Gebärmutterhalskrebs-Impfung)?
Dorner: Gesundheit und Krankheitsvermeidung dürfen nicht vom Geldbörsel abhängen. Das Krankheitsrisiko muss gesellschaftlich abgedeckt sein. Es darf nicht sein, dass gute medizinische Hilfe für Normalbürger eher zur Ausnahme wird. Auch medizinische Prävention sollte für Risikopersonen über die Allgemeinheit getragen werden.
DER STANDARD: Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie von einem Arzt behandelt werden, der seit 24 Stunden im Dienst ist?
Dorner: Es ist ein Trauerspiel, dass das noch immer vorkommt. Dass in einem Rechtsstaat viele Vertreter der Staatsmacht als Eigentümer der meisten Spitäler das Recht mit Füßen treten und das Arbeitszeitgesetz permanent gröblichst verletzen - ohne Sanktionen. Das ist ein Skandal zum Schaden der Patienten und der vielen Ärzte.
DER STANDARD: Hätten Sie Angst vor dem Aufnahmetest für das Medizinstudium?
Dorner: Nein. Vorgebliche Zufälligkeiten können die Eignung im Regelfall nicht aufhalten.
DER STANDARD: Wenn Sie eine Maßnahme im Gesundheitssystem sofort eigenmächtig umsetzen könnten - welche wäre das?
Dorner: Ich würde an die humane Verpflichtung der Medizin und den sozialen Auftrag der Politik erinnern. Und ich würde versuchen, die Hilfe näher an die Menschen heranzubringen und sie nicht durch völlig unnötige politische Machtspielchen planwirtschaftlich von den Kranken wegzutragen. Bewährtes soll nicht zerstört werden.
DER STANDARD: Was muss einnahmenseitig getan werden, um das Gesundheitssystem langfristig abzusichern?
Dorner: Es muss mehr Geld in das System. Da ist auch die Wirtschaft gefordert. Etwa, indem der Arbeitgeberanteil zur Krankenversicherung mittels Wertschöpfungsabgabe entsprechend ihrer erhöhten finanziellen Leistungsfähigkeit festgelegt wird. Zudem sind auch andere Einkünfte (Vermietung, Verpachtung) von der Beitragspflicht zu erfassen.


Krankenkassen-Obmann Franz Bittner

DER STANDARD: Wie soll in Zukunft das Verhältnis von staatlichen und persönlichen Beiträgen sein (zum Beispiel: Wer zahlt die Gebärmutterhalskrebs-Impfung)?
Bittner: Bereits jetzt werden 30 Prozent der Gesundheitsdienstleistungen privat finanziert. Im internationalen Vergleich ist das sehr hoch. Weitere Selbstbehalte sind gesundheitspolitisch bedenklich. Sie treffen diejenigen, die am meisten Unterstützung brauchen. Gesundheit ist kein substituierbares Gut, es gibt bei Krankheit keine "Nachfrageelastizität".
DER STANDARD: Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie von einem Arzt behandelt werden, der seit 24 Stunden im Dienst ist?
Bittner: Wenn der Arzt oder die Ärztin von 8 Uhr bis 18 Uhr normal gearbeitet hat, von 18 bis 22 Uhr teilweise ruhen konnte und von 22 bis 6 Uhr früh zumindest vier Stunden schlafen konnte, dann wäre ich weniger beunruhigt; wenn er oder sie im Dauerstress gewesen ist, würde ich mich von einem ausgeruhten Arzt behandeln lassen.
DER STANDARD: Hätten Sie Angst vor dem Aufnahmetest für das Medizinstudium?
Bittner: Natürlich, das ist eine absolute Stresssituation für junge Menschen! Ich hätte aber auch davor Angst, dass auf die Qualität der Ärzteausbildung zu wenig geachtet wird.
DER STANDARD: Wenn Sie eine Maßnahme im Gesundheitssystem sofort eigenmächtig umsetzen könnten - welche wäre das?
Bittner: Die Finanzierung der Krankenversicherung auf sichere Beine stellen durch Rücknahme einiger bundespolitischer Maßnahmen seit 2000, die der sozialen Krankenversicherung liquide Mittel in Milliardenhöhe entzogen haben.
DER STANDARD: Was muss einnahmenseitig getan werden, um das Gesundheitssystem langfristig abzusichern?
Bittner: Verbreiterung der Beitragsgrundlage - das heißt nicht: Wahllose Erhöhung der KV-Beiträge, sondern nur für sechs Prozent der Besserverdienenden. Weiters müssten Gewinne aus Zinserträgen, Vermietung und Verpachtung oder durch Finanztransaktionen als Beitragsgrundlage herangezogen werden.


Meduni-Wien-Rektor Wolfgang Schütz

DER STANDARD: Wie soll in Zukunft das Verhältnis von staatlichen und persönlichen Beiträgen sein (zum Beispiel: Wer zahlt die Gebärmutterhalskrebs-Impfung)?
Schütz: Nur spürbare Selbstbehalte haben steuernde Wirkung, Einkommensschwache gehören aber ausgenommen, da ansonsten eine Entsolidarisierung der Gesellschaft eintritt.
DER STANDARD: Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie von einem Arzt behandelt werden, der seit 24 Stunden im Dienst ist?
Schütz: Ein Arzt, eine Ärztin im Journaldienst muss nicht zwangsläufig überfordert oder übermüdet sein, da in einem Journaldienst ausreichende Ruhepausen eintreten müssen. Sollte das wiederholt nicht der Fall sein, muss auf Schichtdienst umgestellt werden.
DER STANDARD:
Hätten Sie Angst vor dem Aufnahmetest für das Medizinstudium?
Schütz: Nein; denn das Testverfahren - das vor allem das vorhandene Verständnis für die wichtigsten Grundfertigkeiten des medizinisch-naturwissenschaftlichen Arbeitens testet - ist für jeden transparent, und man kann sich auch gezielt vorbereiten.
DER STANDARD: Wenn Sie eine Maßnahme im Gesundheitssystem sofort eigenmächtig umsetzen könnten - welche wäre das?
Schütz: Die Einführung von Gesundheitszentren mit 24 Stunden Öffnungszeiten mit dem ausschließlichen Ziel, die Spitalsambulanzen zu entlasten (wie z. B. die chronisch überlastete Notfallambulanz im AKH).
DER STANDARD: Was muss einnahmenseitig getan werden, um das Gesundheitssystem langfristig abzusichern?
Schütz: Bei Aufrechterhaltung des Solidarprinzips die Erhöhung der Höchstbeitragsgrundlage, und zwar bei gleichzeitiger Effizienzsteigerung ausgabenseitig.


Gesundheitsexperte Christian Köck

DER STANDARD: Wie soll in Zukunft das Verhältnis von staatlichen und persönlichen Beiträgen sein (zum Beispiel: Wer zahlt die Gebärmutterhalskrebs-Impfung)?
Köck: Auch in Zukunft muss der Zugang zu wesentlicher medizinischer Betreuung für alle, unabhängig vom Einkommen, möglich sein. Maßnahmen zur Prävention von Gebärmutterhalskrebs sind dann öffentlich zu finanzieren, wenn die Wirksamkeit und Effizienz dieser Maßnahme erwiesen ist.
DER STANDARD: Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie von einem Arzt behandelt werden, der seit 24 Stunden im Dienst ist?
Köck: Das kommt darauf an, was er in diesem Dienst zu leisten hatte. In bestimmten Fächern ist die Arbeitsbelastung im Dienst nicht sehr hoch, sodass diese Dienstzeit vertretbar ist. In anderen Bereichen kann die durch die Belastung entstehende Ermüdung sicherlich beeinträchtigend sein.
DER STANDARD: Hätten Sie Angst vor dem Aufnahmetest für das Medizinstudium?
Köck: Nein.
DER STANDARD: Wenn Sie eine Maßnahme im Gesundheitssystem sofort eigenmächtig umsetzen könnten - welche wäre das?
Köck: Im Bereich der Organisation des Gesundheitswesens wäre das die Zusammenführung der Finanzierung in einer Hand. Im Bereich der allgemeinen Gesundheitspolitik ein generelles Rauchverbot im gastronomischen Bereich.
DER STANDARD: Was muss einnahmenseitig getan werden, um das Gesundheitssystem langfristig abzusichern?
Köck: Die Entkoppelung von Beiträgen zur Sozialversicherung und der Lohnsumme und die Umstellung auf ein steuerfinanziertes System.
(DER STANDARD, Printausgabe, 13.11.2007)