Robert Plant und Alison Krauss gelingt mit dem Country-Folk-Album "Raising Sand" ein berührendes Meisterwerk. Es baut auf Intimität und Atmosphäre.

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Gefühlsarm und ausgedünnt. Die Eagles bleiben sich mit dem Doppelalbum "Long Road Out Of Eden" selbst treu.

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Eine Gegenüberstellung.
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Wien – In der ersten Woche des Erscheinens hat sich das Album Long Road Out Of Eden allein in den USA über 700.000-mal verkauft. Damit verdrängte es das Album von Britney Spears mit knapp 300.000 abgesetzten Einheiten deutlich. Das ist gleichzeitig das beste, was sich über das Reunionalbum der US-Band Eagles sagen lässt. Und es überrascht auch nicht weiter. Schließlich zählt die 1971 gegründete und 1980 aufgelöste Band zu den erfolgreichsten der Popgeschichte, deren 1976 erschienenes Greatest-Hits-Album sich rund 30 Millionen Mal verkauft hat – wieder allein in den USA.

Gelungen ist dies der Band mit einem Soft- und Saftler-Rock mit Country-Affinität, der auf Weichspülerart amerikanische Klischees, Nostalgien und Träume strapazierte: Irgendwo kam immer irgend ein Desperado mit gebrochenem Herzen aus dem Tequila Sunrise, bereit, sich im Hotel California einzubauen, um dort in One Of These Nights über das Life In The Fast Lane nachzudenken oder sich als Victim Of Love weinerlich die Wunden zu lecken.

Nach etlichen Gerichtsterminen sowie dann doch ausgetragenen Reuniontourneen gingen die Streithähne Glenn Frey, Don Henley, Joe Walsh und Timothy B. Schmidt als Eagles heuer erstmals auch wieder ins Studio, um das zum Doppelalbum aufgeblähte Long Road Out Of Eden einzuspielen. Ein Album, auf dem Rock und Country traditionell verwässert werden oder mittels Saxofon- und/oder haltlosem Gitarrensolo für sich aufrollende Zehennägel sorgen.

Dazu wird zeitgeistig der Zustand des Planeten beklagt, was angesichts des gewählten Vertriebspartners der Band, der US-Handelskette Wal-Mart, einem, wie die Süddeutsche Zeitung schreibt, "Synonym für die konsequente Zerstörung von Nachhaltigkeit", nur als bigott einzustufen ist. Dazu schmiert die Slide-Gitarre, während alle vier Vokalisten versuchen, nicht an der eigenen Betroffenheitsblubberblase zu ersticken.

Parallel dazu veröffentlicht ein Zeitgenosse der Eagles mit einer sogar noch erfolgreicheren Vorgeschichte ebenfalls ein Country-Album. Robert Plant (59), Sänger der auch gerade Reunion-Pläne wälzenden britischen Hardrock-Band Led Zeppelin, hat gemeinsam mit dem Bluegrass-Superstar Alison Krauss (36) die Song-Sammlung Raising Sand eingespielt, ein in jeder Sekunde gefühlsechteres Werk als jenes der Eagles.

Wobei Plant in aktuellen Interviews stets betont, dass Raising Sand kein Duett-Album, sondern ein Bandprojekt sei, für das der Musiker und Produzent T-Bone Burnett die Fäden zog. Burnett ist einerseits Traditionalist, andererseits hat er seine Nase als gefragter Produzent und Soundtrack-Lieferant beständig im Wind.

Historische Patina

Burnett war es auch, der darauf drängte, die lose Idee zur Zusammenarbeit von Krauss und Plant, die entstand, als sich die Wege der beiden bei einer Tribute-Show für den verstorbenen Blues-Musiker Leadbelly erstmals kreuzten, umzusetzen. Dafür karrte Burnett nicht nur jede Menge alte Aufnahmegeräte und Mikros ins Studio, die den intimen, historisch patinierten Sound des Albums ausmachen, er war auch weitgehend für das ausgewählte Songmaterial sowie für die zur Aufnahme eingeladenen Musiker verantwortlich.

Beides kann sich hören lassen. Songs von Gene Clark (The Byrds), Tom Waits, Townes van Zandt oder den Cowboy Junkies werden von einem atmosphärisch berührenden Album in Richtung eines halbakustischen Folk mit Blues-Einschlag interpretiert, dass es nur so eine Art hat. In der Begleitband spielen Burnett selbst, dazu Gitarrist Marc Ribot und Multi-Instrumentalist Mike Seeger.

Plant, der durchaus für Übertreibungen im Sinne eines überzüchtet krächzenden Organs anfällig ist, gibt hier ganz den Gentleman und räumt Krauss viel Platz ein. Diese vornehme Zurückhaltung zugunsten des größeren Gesamten zeichnet Plant ebenso aus wie sein einfühlsamer, alle Manierismen aussparender Gesang – sieht man einmal von Please Read The Letter ab. Aber hier darf er, er hat die Nummer mit Led-Zeppelin-Kollegen Jimmy Page immerhin auch geschrieben. Grandios auch wie Townes van Zandts Nothin’ an den Rand des Stillstands geführt wird und von Marc Ribots Schneidbrennergitarre sowie einer Fiedel vor dem Umfallen bewahrt wird.

Plant und Krauss werden mit diesem Meisterwerk weder den Eagles noch Britney Spears nahekommen. Weder die Verkaufszahlen betreffend noch sonst irgendwie.

Und gerade in letzterem Fall ist das auch gut so. (Karl Fluch, DER STANDARD/Printausgabe, 14.11.2007)