Jeder Ski wird einen eigenen "Charakter" bekommen und nach individuellen Bedürfnissen gebaut.

Illustration: DER STANDARD/Karin Gsöllpointner
Ein Massensport wird individuell: Mithilfe biomechanischer Analysen entwickeln Forscher ganz auf den jeweiligen Nutzer abgestimmte Ski. Doch nicht alles, was technisch möglich wäre, wird auch umgesetzt: Der intelligente, mit Chips und Sensoren ausgestattete Ski wartet noch auf das Startsignal.

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Superleichte Glasfasern, Hightech-Metalle und ausgefeilte Kantenführung: Wenn es um die neuesten Ski geht, überschlagen sich die Hersteller förmlich in Lobpreisungen ihrer technologischen Innovationen. Schließlich kommt es nicht nur auf der Rennstrecke auf die entscheidenden Hundertstelsekunden an, auch der gewöhnliche Pistenprinz will mit ausgefeilten Produkten umworben werden.

Seit der Erfindung des Carving-Skis vor zehn Jahren hat es in der Form der Bretter (kürzer, taillierter, leichter) wenige grundlegende Veränderungen gegeben - weshalb die Entwicklungsabteilungen der Hersteller verstärkt an neuen Materialverbindungen und der Feinabstimmung zwischen Ski, Bindung und Schuh tüfteln.

Mithilfe wissenschaftlicher Forschung und neuer Technologien soll die Verletzungsgefahr minimiert und der Ski immer individueller an seinen Benutzer, dessen Fahrstil und die Pistenverhältnisse angepasst werden. Schon jetzt finden Schneecruiser neben Carving- auch Mountain-, Powder- und Freeride-Ski für reinen Tiefschnee sowie vorn und hinten aufgebogene Slope-Style-Bretter für den Half-Pipe-Gebrauch in den Regalen.

Differenzierte Tests

"70 Prozent unserer Forschungstätigkeit konzentriert sich auf die Entwicklung von Anforderungsprofilen für verschiedene Zielgruppen", erläutert Sportwissenschafter Erich Müller, Leiter des Christian-Doppler-Labors für "Biomechanics in Skiing" in Salzburg. Das Institut, das aus dem Know-how von Sportwissenschaft, Medizin, Informatik und Biomechanik schöpft, hat sich auf die detaillierte Messung von Bewegungsabläufen spezialisiert. Dazu nimmt eine Reihe von Kameras die Teststrecke ins Visier, die Piste wird genauestens vermessen und die Versuchspersonen am ganzen Körper mit Markern versehen. "Anhand der anatomischen Kennpunkte können wir die Bewegung im dreidimensionalen Raum rekonstruieren", erläutert Müller. Zusätzlich werden die Druckverteilung, die Belastung der Gelenke und die Muskelaktivität aufgezeichnet.

Differenziert nach Alter, Geschlecht, körperlichen Befindlichkeiten und Fahrkönnen wird so eine Palette von Anforderungen an Ski, Schuh und Bindung erstellt. Die vom Firmenpartner Atomic entwickelten Prototypen werden dann wiederum Feldmessungen unterzogen, danach wird über eine Markteinführung entschieden. "Thema ist derzeit Skilauf im höheren Lebensalter", verweist Müller auf bislang wenig beachtete Marktnischen. Die Ergebnisse der biomechanischen Analysen zum Fahrverhalten von Senioren sowie andere aktuelle Projekte, wie etwa die Optimierung von Gleitbelegen, werden im Dezember bei dem vom Christian-Doppler-Labor ausgerichteten Kongress "Science and Skiing" einem internationalen Fachpublikum vorgestellt.

Kleine Geheimnisse

"In den nächsten Jahren wird das Angebot an Skiern immer spezifischer auf Zielgruppen wie Damen, Jugend, Tourengeher und Senioren ausgerichtet sein", bestätigt auch Max Eppensteiner, Leiter der Entwicklungsabteilung von Kneissl, den Trend zur Individualisierung des alpinen Breitensports. Die Firma, die für sich die Entwicklung des Carving-Skis beansprucht, ist Wirtschaftspartner des im Innsbrucker Institut für Sportwissenschaften angesiedelten Technologiezentrums Ski- und Alpinsport, das kooperative Forschungsprojekte betreut und unter anderem den Österreichischen Skiverband (ÖSV) mit Innovationen versorgt (siehe Interview).

Der Rückgriff auf wissenschaftlich untermauerte Daten ist im Wettstreit der Hersteller jedoch eher die Seltenheit. Üblicherweise werden neue Produkte auf eigene Faust entwickelt und von internen Teams getestet - nicht zuletzt, um die Konkurrenz abschlagen zu können. "Jeder hat so seine kleinen Geheimnisse", rechtfertigt Christian Plumberger, Produktentwickler der Firma Fischer, dass nicht allzu viele Details - besonders was die Rennski-Entwicklung angeht - preisgegeben werden. Eine Bremse für Innovationen sei, dass jedes Unternehmen seine Ideen sofort patentieren lässt - und somit den Weg für andere versperrt.

Oft kommen findige Produktentwickler schlicht aus Kostengründen nicht zum Zug: So gibt es längst hochentwickelte GPS-Geräte oder im Ski eingebaute Chips, die während der Fahrt Daten über Geschwindigkeit, Höhe, Luftdruck, Belagabnutzung etc. sammeln und dem Skifahrer über eine Armbanduhr oder in der Skibrille anzeigen könnten.

Technisch längst möglich wäre auch der Einbau eines vom Unternehmen Skidata entwickelten Siliziumchips in Ski und Snowboards. Ist das Sportgerät als gestohlen gemeldet, wird bei im Boden verlegten Lesegeräten Alarm ausgelöst. Nicht nur zur Diebstahlsaufklärung, auch für Skiverleihe wäre das System nützlich. Eine flächendeckende Umsetzung ist laut Skidata bisher an einem fehlenden internationalen technischen Standard und rechtlichen Problemen gescheitert. (Karin Krichmayr/DER STANDARD, Printausgabe, 14.11.2007)