Chicago – Zumindest aus heutiger zoologischer Perspektive verfügten viele Dinosaurier über ziemlich seltsame Anatomien und Verhaltensformen. Einer der ungewöhnlichsten und bizarrsten war ohne Frage der 1999 in der Sahara im heutigen Niger entdeckte Nigersaurus Taqueti, von dem damals nur ein paar Knochen in der Wüste gefunden wurden. In den vergangenen Jahren hat sein Entdecker, der Paläontologe Paul Sereno, gemeinsam mit Kollegen den rund zehn Meter langen Vertreter der Familie Diplodocus genauer rekonstruiert.

Kurioser Coverheld

Was dabei an Kuriosa herauskam, ist für die National Geographic Society, die Serenos Grabungen finanzierte, so interessant, dass der Nigersaurus sogar der Coverheld der Dezemberausgabe ihres Magazins zum Thema "Extreme Dinosaurier" sein wird. Und zudem ist seit Donnerstag im National Geographic Museum in Washington ein rekonstruierter Schädel des Tiers ausgestellt.

Ebenfalls am Donnerstag erschien in der frei zugänglichen Wissenschaftszeitschrift PLoS ONE (Bd. 2, Nr 11) die wissenschaftliche Begleitstudie über dieses bizarre Tier, das vor 110 Millionen Jahren lebte, sich ausschließlich von Pflanzen ernährte und im Prinzip wie eine Kuh aus dem Mesozoikum lebte. Freilich mit einigen recht bemerkenswerten Unterschieden. Da wäre zum Beispiel einmal die breite, rechtwinkelige und vorne gerade Schnauze, die es dem Tier erlaubte, nah am Boden wie eine Art Staubsauger zu grasen. Im Gegensatz zu allen anderen Pflanzenfressern allerdings verfügte der Nigersaurus über mehr als 500 nadelscharfe Zähne in über 50 Zahnreihen, die vorne wie ein rund 30 Zentimeter langes Paar Scheren arbeiteten. Ein Scan der Kieferknochen ergab zudem, dass hinter jedem Zahn neun neue Ersatzzähne warteten, die sofort zum Einsatz gebracht werden konnten, wenn ein Zahn verloren ging.

Luftknochenbau

Das höchst seltsame Maul des Nigersaurus Taqueti ist aber nur eines der anatomischen Besonderheiten des Tiers, dem als einem der ersten Saurier überhaupt mittels neuester Bild gebender Technologien in den Schädel geschaut wurde. Dadurch ergaben sich nicht nur Aufschlüsse über die Haltung, den Gleichgewichtssinn und das Verhalten des Tiers. Es zeigte sich dabei auch, dass das Rückgrat und der Schädel des Sauriers mehr aus Luft denn aus Knochen bestanden.

"Die Wirbelsäule ist so dünn wie Papier", sagt Jefferey Wilson, einer der Entdecker des Nigersaurus, "und man kann sich nur schwer vorstellen, wie das Rückgrat den Alltagsstress aushielt. Aber wir wissen, dass es das tat. Und zwar ziemlich gut." (Klaus Taschwer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16. November 2007)