Washington - Das Inferno lauert in der Tiefe. Es rumort zwischen kilometerdicken Gesteinsschichten, schmilzt Teile davon auf und bringt noch nahe der Erdoberfläche das Grundwasser zum Kochen. Seit Jahrmillionen haust unter den Rocky Mountains im Westen der USA ein gewaltiger "Hotspot". Glühende Massen aus dem Erdinneren drängen dort bis weit nach oben und bilden eines der größten hydrothermisch aktiven Gebiete unseres Planeten.

Oberirdisch trägt die Region im Nordwesten des Bundesstaats Wyoming den Namen "Yellowstone-Park", berühmt für seine Geysire und Bilderbuchlandschaften. Im Herzen des Naturschutzgebiets befindet sich eine Senke. Sie ist das Produkt einer urzeitlichen Katastrophe. Vor 640.000 Jahren stieg der Druck in der Erdkruste so stark an, dass sich die geballte Energie in einem explosiven Vulkanausbruch entlud, tausendmal stärker als die Detonation des Mount St. Helens in 1980.

So entstand die Yellowstone-Caldera, ein riesiger Eruptionskrater mit einem Durchmesser von mehr als 40 Kilometern. Wien inklusive Umland würde da locker hineinpassen.

Das Gebiet gilt auch heutzutage als instabil. Jährlich treten hier bis zu 3000 kleinere Erdbeben auf. Die meisten davon sind zu schwach, um von Menschen gespürt zu werden. Doch Wissenschafter von der University of Utah überwachen das Geschehen mit Argusaugen. Mittels modernster Technik wird jedes auch noch so feine Zittern registriert. Was sich genau in bis zu 14 Kilometer Tiefe abspielt, lässt sich noch nicht eindeutig klären. Fest steht nur: Das Ungetüm bewegt sich. Wie ein schlafender Drache.

Anschwellende Kruste

Seit Sommer 2004 beobachten die Forscher ein plötzliches Anschwellen der Erdkruste um jährlich rund sieben Zentimeter. Das ist dreimal schneller als jemals zuvor seit Beginn der Messungen 1923. Zusammen mit vier Kollegen hat der Geophysiker Wu-Lung Chang die seismischen und per Satellit gesammelten Daten in einer aufwendigen Simulation verarbeitet.

Wahrscheinlich, so berichteten die Fachleute kürzlich im Fachmagazin "Science" (Bd. 318, S. 952), werde eine poröse Steinschicht in etwa zehn Kilometer Tiefe mit Magma aufgefüllt. So bilde sich ein 1200 Quadratkilometer großes Reservoir glühenden Materials. Ein Teil des wachsenden Drucks könne auch durch Ansammlung von hoch erhitztem Wasser in darüberliegenden Schichten entstehen.

An sich ist das Heben und Senken des Bodens im Bereich einer Caldera nichts Außergewöhnliches. Nur das Tempo gibt zu denken. Könnte eine erneute Eruption bevorstehen? "Wir wissen nicht, wie viel Magma erforderlich ist, um eine solche Katastrophe auszulösen", erklärt Wu-Lung Chang im Gespräch mit dem STANDARD.

Trotzdem sieht der Experte keinen Grund zur Beunruhigung. "Weder die Erdbeben-Häufigkeit noch die Temperatur an der Erdoberfläche haben zugenommen", betont Chang. Beide Größen gelten als zuverlässige Indikatoren eines bevorstehenden Vulkanausbruchs. (Kurt de Swaaf/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20. 11. 2007)