Finanzminister Alistair Darling gerät wegen des Verlusts von Daten unter Druck.

Bei Banken klingelten die Telefone, Radiosender hoben Sondersendungen ins Programm, im Parlament sah sich der Premier dem Spott der Opposition ausgesetzt: Einen Tag nach der dramatischen Neuigkeit, dass eine Behörde eine Kopie der persönlichen Daten von 25 Millionen Briten verloren hat, war der größte Datenschutz-Skandal in der britischen Geschichte am Mittwoch Thema Nummer eins.

"Katastrophaler und unverzeihlicher" Sachverhalt

Nachdem am späten Dienstagnachmittag der zuständige Finanzminister Alistair Darling den "katastrophalen und unverzeihlichen" Sachverhalt publik gemacht und den Behördenleiter zum Rücktritt gezwungen hatte, entschuldigte sich auch Regierungschef Gordon Brown vor dem Unterhaus und kündigte Maßnahmen für besseren Datenschutz an.

Kindergeld

Den Angaben des Schatzkanzleramts zufolge hatte der Rechnungshof im Oktober die nachgeordnete Behörde des Ministeriums im nordenglischen Newcastle überprüft, die für die Zahlung von Kindergeld zuständig ist. Ein Mitarbeiter des Amtes lud die Daten von den 7,25 Millionen Familien des Landes mit Kindern unter 16 Jahren - Namen, Geburtsdaten, Versicherungsnummern, Bankkonten von immerhin 25 Millionen Menschen - auf zwei CDs und schickte diese ohne Einschreiben nach London. Um Geld zu sparen, bedient sich die Behörde des privaten Kurierdienstes TNT, der einen Vertrag mit der Royal Mail hat. An welcher Stelle der Umschlag verschwand, ist ungeklärt. Fest steht: Seit mehr als einem Monat fehlt davon jede Spur.

Personaldaten

Bisher gibt es keine Hinweise, dass die Personaldaten in die Hände von Gangstern geraten sind. Jedenfalls haben die Banken "bisher keine ungewöhnlichen Kontobewegungen festgestellt", wie Darling dem Unterhaus sagte. Sollten die Ermittlungen der Polizei über die Behördenschlamperei hinaus auch kriminelles Handeln zutage fördern, müsste Darling wohl zurücktreten. Der Minister gilt ohnehin als angeschlagen, weil er der Finanzkrise um die illiquide Hypothekenbank Northern Rock nicht Herr wird.(Sebastian Borger aus London/DER STANDARD, Printausgabe)