Beste Freundinnen seit dem Kindergarten werden langsam erwachsen: Mina, Klara und Tanutscha (v. li.), drei junge Frauen aus Berlin, Kreuzberg, und Selbstdarstellerinnen in eigener Sache in Bettina Blümners gelungenem Dokumentarfilm "Prinzessinnenbad".

Foto: Polyfilm
Wien – Wenn Klara mit ihren beiden besten Freundinnen loszieht, sie Jungs treffen, im Park hocken und Bier trinken, oder einfach noch um den Block ziehen, dann gibt ihr die Mutter sehr genaue Richtlinien mit auf den Weg: "Zwei Sachen: Kein Heroin. Und nicht schwanger werden."

Geht klar. Willkommen in Berlin, Kreuzberg. "Prinzessinnenbad" von Bettina Blümner handelt von Jugend, von Sehnsüchten und Freundschaftsschwüren, vom Verliebtsein, vom Sex und vor allem davon, welche Vorstellungen drei junge Frauen an der Schwelle zum Erwachsensein vom Leben haben, das kommen wird.

Und weil der Film nicht irgendwo spielt, sondern schon im Titel wortspielerisch sein Terrain markiert und seine Gender-Perspektive verkündet – das Prinzenbad ist das große Freibad des Viertels und zentraler Treffpunkt der Adoleszenz –, und weil Kreuzberg immer noch ein Soziotop nicht wie alle anderen ist, weil dort immer noch, trotz aller Arriviertheit, die Frage, wie man leben will, intensiver und dringlicher gestellt wird als anderswo, macht es ungemeine Freude, diesem Trio ziemlich unprinzessinnenhaft auftretender Mädchenfrauengören zuzusehen und -zuhören, wie es seinen persönlichen Lebensentwurf zurechtbastelt.

Leben im Umbruch

Klara, Mina und Tanutscha sind um die fünfzehn Jahre alt und befreundet seit dem Kindergarten. Der Film begleitet die drei etwa ein Jahr, lange genug also, dass das Gemeinsame, aber auch die beginnende Veränderung deutlich wird. Klara findet türkische Jungs unbedingt cooler als deutsche, obwohl oder gerade weil diese manchmal "echte Arschlöcher" sind. Anonsten hat sie nicht viele Pläne für die Zukunft. Weil Klara Mist gebaut hat (nicht zum ersten Mal), muss sie in einem Café gemeinnützige Arbeit leisten.

Mina dagegen arbeitet freiwillig in der Kneipe ihres Vaters und freut sich auch sonst aufs Erwachsenwerden. Ihr neuer Freund ist schon zwanzig, was gut ist, weil das nach Minas Einschätzung ihr eigenes Alter ist. Er will aber auch für ein Jahr ins Ausland, was schlecht ist. Tanutscha kann sich nicht vorstellen, dass sie sich im hohen Alter von dreißig Jahren irgendwie anders verhalten wird: Geld verdienen ja, aber Partys wird sie weiterhin feiern. Und: "Ich werd nix im Ökoladen kaufen. Weil ich Öko scheiße finde."

Dass die jungen Frauen vor der Kamera kein Blatt vor den Mund nehmen, zeigt nicht nur, dass Blümner, Jahrgang 1975, sich das Vertrauen ihrer Protagonistinnen erworben hat (und dass diese großartige Selbstdarstellerinnen in eigener Sache sind). Die ausgestellte Zotigkeit, die herben Codes der street credibility gehören nun mal zur Sozialisation in diesem Kiez, obgleich der Film in seiner angenehm unaufgeregten Innenperspektive sich weder der Schablone "Multikulti" noch "Aggro-Rap" bedient (trotz des etwas zu sehr HipHop-lastigen Soundtracks des Films).

Dass die Protagonistinnen in Patchworkfamilien aufgewachsen sind, die Eltern geschieden, der Vater abgehauen; dass der neue Freund der Mutter aus Jamaika stammt; dass Klara so oft den Unterricht verpasst hat, dass sie jetzt die "Schwänzerschule" besuchen darf; dass die antiautoritäre Haltung der Mutter die Tochter eher nervt als überzeugt – all das präsentiert der Film weder als Schlagzeile noch als soziologische Erkenntnis oder als Kuriosität.

All das ist Normalität für Jugendliche in einer deutschen Großstadt. Und all das macht "Prinzessinnenbad" zu einem Dokumentarfilm, von dem man gerne einen zweiten Teil sehen würde, so etwa in fünf bis zehn Jahren. (Dietmar Kammerer / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.11.2007)