Walter geht noch einmal die Liste durch. Dann kritzelt er das Wort "Lager" auf einen Zettel. "Das könnte vielleicht was sein, übergangsmäßig" sagt er, und schreibt eine Nummer daneben. Walter ist seit einem Jahr arbeitslos. Ein Mal pro Woche schaut er bei dem für ihn zuständigen Arbeitsamt am Esteplatz in Wien-Landstraße vorbei und durchforstet die Listen, die dort aufliegen, nach einer passenden Stelle. Am liebsten wäre ihm ja ein Job als U-Bahn-Fahrer. Den Eignungstest hat er schon gemacht. "Ich hoffe, dass ich Anfang nächsten Jahres mit der dreimonatigen Ausbildung beginnen kann", sagt der ehemalige Hausmeister.
In Wien sind derzeit an die 70.000 Menschen ohne Job. In keinem anderen Bundesland ist die Arbeitslosenquote so hoch wie in der Hauptstadt. Derzeit liegt sie bei 7,9 Prozent. Warum gibt es in Österreichs wichtigster Stadt zu wenig Arbeit? "Wien befindet sich im Umbruch", sagt Peter Mayerhofer vom Wirtschaftsforschungsinstitut.
Die Industrie sei seit dem EU-Beitritt und der damit einhergehenden Liberalisierung ohnehin angeschlagen – "davor war das ein geschützter Bereich, der von öffentlichen Aufträgen lebte" – durch die Ostöffnung sei die Konkurrenz jetzt auch im Dienstleistungsbereich härter geworden: "Wir befinden uns, gemeinsam mit Bratislava, in einer Twin-City-Situation, in der die Einkommen in der einen Zwillingsstadt wesentlich höher sind als in der anderen." In Sachen Wirtschaftswachstum stehe Wien im europäischen Vergleich nicht so schlecht da, "allerdings holen ärmere Städte massiv auf."
Unternehmensgründung
Die Wiener gründen fleißig Unternehmen, allerdings setzt sich nicht jede Geschäftsidee durch. Die Quote der jährlich neugeschaffenen Jobs liegt derzeit bei 15 Prozent, im gleichen Zeitraum gehen aber auch exakt genauso viele Arbeitsplätze wieder verloren.
Die drei großen Hoffnungsfelder der Wiener Wirtschaft sind die Bereiche Kreativ-Industrie, Bio- sowie Informationstechnologie. Massiv baut derzeit das Bauwesen sowie die Güterproduktion Jobs ab, neue Arbeitsplätze liefert vor allem der Dienstleistungssektor. 82 Prozent der Berufstätigen arbeiten inzwischen in dieser Branche.