Seine Isolierung beklagte er mit diesen Worten: "Es wäre fürchterlich, wenn die Verfolger des normalen Deutschen es so weit trieben, dass wir schließlich etwas Analoges rufen, wie die in Georg Büchners Dantons Tod, die angesichts eines bestimmten Typs der Verfolger ,Vive le Roi‘ schreien."
Das deutschsprachige Feuilleton konnte mit Mosebachs Rede wenig anfangen, was wohl auch mit dieser untergründigen Traditionsbildung zu tun hat. Der katholische Schriftsteller aus Frankfurt stilisiert sich gern als eine "Person, die von der Gesellschaft vollständig umstellt ist" – er selbst umstellt sich dafür mit Denkern, die unbeirrt an restaurativen Gegenentwürfen zu den modernen Gesellschaften festhielten und festhalten, wie dem kolumbianischen Einsiedler Nícolas Gómez Dávila oder eben dem 1985 verstorbenen Carl Schmitt.
Dass es auch noch eine andere, nicht auf heimlichtuerischer Reverenz, sondern auf offener und durchaus respektvoller Auseinandersetzung beruhende Beschäftigung mit Carl Schmitt geben kann, geht aus dem eben erschienenen Briefwechsel mit Hans Blumenberg hervor. Hier wird der Skandal an einem wichtigen Detail festgemacht: "Es geniert den, der das Lebenswerk von Carl Schmitt nicht zu verachten vermag, ihn als den Erfinder und Betreiber des Zitierverbots jüdischer Autoren unter der Herrschaft Hitlers nennen zu müssen."
An diesem keineswegs zentralen Faktum der Verstrickung von Schmitt in die nationalsozialistische Herrschaft ist Blumenberg vielleicht auch deswegen so sehr gelegen, weil er von allen bedeutenden deutschen Philosophen der Nachkriegszeit der größte Leser war. Wo das Zitieren verboten wird, werden Traditionen abgeschnitten und Bildungsräume geschlossen, während Blumenberg sich nach dem Jahr 1970 mehr und mehr aus dem öffentlichen Leben zurückzog, um Traditionen zu studieren und Bildungsräume zu öffnen. Trotzdem ist das, was ihn von Schmitt trennt und die beiden Gelehrten zu einem kurzen Briefwechsel veranlasst, ein Motiv der Unterbrechung. Denn Blumenberg kann die zentrale These der sogenannten Politischen Theologie von Carl Schmitt nicht teilen.
Dass "alle prägnanten Begriffe der modernen Staatslehre (…) säkularisierte theologische Begriffe" sind, will Blumenberg nicht gelten lassen. Für ihn ist an der Neuzeit entscheidend, dass die autonome ("zureichende" und keineswegs absolute) Vernunft sich gerade nicht durch Entwicklung, sondern durch Diskontinuität und Selbstbehauptung auszeichnet.
Isoliert versus umworben
Diese Differenz umkreisen die beiden Denker in einem faszinierenden geistesgeschichtlichen Panorama. Dort der zurückgezogen in Plettenberg lebende Schmitt, der seine Isolierung gern aufbrechen würde, hier der umworbene und ständig zu Vorträgen und Kongressen eingeladene Blumenberg, der den Bann gegen Schmitt aufheben könnte, es aber nicht tut.
Denn in der Sache gibt es keine entscheidende Annäherung: Blumenberg löst alles, was Schmitt im Sinne einer Geschichtstheologie konstruieren möchte, in eine Naturgeschichte auf, die sich von der Evolution an andere Zeitmaße gewöhnen lässt als an endzeitliche Dringlichkeit und totalitäre Beschleunigungen: "Was den Aufklärungen fehlt, ist Zeit. Und man lässt sie ihnen nicht, weil sie selbst den Faktor zu überschätzen lehren, der sie betreibt: die Vernunft. Weshalb sollte sie schneller arbeiten als alle Faktoren, die an der Anthropogene beteiligt waren."
Keineswegs esoterisch
Hans Blumenberg starb 1996. Sein Nachlass befindet sich inzwischen im Deutschen Literaturarchiv in Marbach, der vorliegende Band wurde daraus ediert.