Cover: Liebeskind
... fragte sich Driver, ob er einen schrecklichen Fehler begangen hatte." So, mit dem Ende einer langen Verfolgungsjagd, beginnt der schmale, konzentrierte Roman von James Sallis. Driver kann nur eines: gut Auto fahren. Er verdingt sich als Stuntman in Hollywood, es sind Gelegenheitsjobs, die ihm den Ruf eines Profis einbringen. Sein Talent setzt Driver gelegentlich als Fahrer eines Fluchtautos ein.

Er will nicht wissen, wer welchen Überfall plant. Er organisiert und frisiert die Fahrzeuge, tüftelt den Fluchtweg aus, gibt Gas und kassiert. Bei einem dieser Coups hätte auch Driver umgebracht werden sollen, doch er entkommt vorläufig und macht sich daran, seine Verfolger umzulegen. Sallis beschreibt in rasch wechselnden Zeitebenen eine Flucht durch die Weiten Amerikas. Driver vagabundiert durchs Land, durch die gesichtslosen Kleinstädte, die Motels, Fastfood-Stätten, er haust in verlotterten Wohnungen, mit nicht mehr Eigentum als einer Sporttasche. Driver verkörpert das entwurzelte Individuum par excellence. Er hat keine Bindungen an seine Herkunftsfamilie oder einen heimatlichen Ort, er hat keinerlei ethische Maßstäbe, er ist im unheimlichsten Sinn ein Neutrum.

Dennoch beginnt der Leser mit Driver zu sympathisieren, denn in dieser gleichgültigen und oberflächlichen Welt gibt es niemanden sonst, mit dem man sich identifizieren könnte. James Sallis lebt in Phoenix, wo sein Roman anfängt, er hat Literatur-wissenschaft studiert, Drehbücher verfasst und Weltliteratur übersetzt. Zum Glück schreibt er auch noch Krimis. (Ingeborg Sperl, ALBUM/DER STANDARD/Printausgabe, 24./25.11.2007)