Radikales Innviertel: Die KTM RC8.

foto: werk

Ich kann mich noch erinnern, als wäre es gestern gewesen. Ich ging damals noch zur Schule und hatte in jeder zweiten Woche statt am Vormittag am Nachmittag Unterricht.

Den Vormittag verbrachte ich in diesen coolen Wochen bei meiner Großmutter – meine Eltern mussten arbeiten, um die Kosten der eingeschlagenen Fensterscheiben halbwegs decken zu können. Großmutters strenges Zepter war gefürchtet, aber weniger als ihre Küche. Beim Nachmittagsunterricht umgab mich stets eine feine Knoblauchnote, so intensiv, dass mich nicht einmal am Abend die Gelsen stechen wollten. Doch ich verzettel mich…

Die freie Zeit am Vormittag verplemperte ich natürlich nicht mit der Lektüre von Schulbüchern sondern mit der Zeitschriftensammlung meines Onkels, der ob seiner 18 Lenze noch bei meiner Oma wohnte. Ich weiß nicht mehr, ob es das "Bravo" war, die "Kraftzeitung" oder das jeweils aktuelle Heft des "Reiben-Kurier".

Die Spatzenpost war es jedenfalls nicht – das weiß ich, weil die lag ja zu Hause. Aber ich weiß, was ich stets suchte: die geilen KTM-Inserate. Da hat dich der Kinigadner aus dem Heftl raus angelacht. Vorderradl in der Luft. Mitten im Dreck, die KTM aber sauber wie Omas Knoblauchpresse. Vor dem Mittagessen natürlich.

Mit diesen Inseraten bin ich immer zu meinem Bruder gerannt und hab ihm gesagt: "So was kauf ich mir einmal." Und mein Bruder hat dann eine von diesen superblöden Supertrumpf-Karten aus seiner Hosentasche gefangen, mir eine japanische Supersportlerin hingehalten und gesagt: "Passt! Und mit der brenn ich dich dann her." Worauf ich konterte, dass das nicht ginge und, und, und...

Ein Ende fand die Diskussion erst, wenn einer blutete und, weil er gerade auf dem Weg ins Krankenhaus war, wo man ihm ein paar Steine wieder aus dem Gesicht operierte, außer Hörweite war.

Inzwischen sind einige Jahre ins Land gezogen. Beide fahren wir nicht unser Traum-Motorrad. Es steht also unentschieden. Noch. Aber was meinem Bruder Kopfweh bereitet, ist, dass KTM auf der EICMA in Mailand das Tücherl gelupft hat und drunter war eine RC8. Vor vier Jahren, als der Prototyp vorgestellt wurde, hat er noch gelacht: "Die geht eh nie in Serie!" Und jetzt hat er das G’scher gleich doppelt.

>>> Leicht und scharf

Nicht nur, dass die RC8 jetzt doch kommt und im Design vom Prototypen nur ganz ein bisserl abweicht, haben sich die Mattighofener noch was überlegt, ganz sicher nur um meinem Bruder eins auszuwischen. Und zwar haben die das Konzept verworfen, die RC8 mit dem Motor der 990-er-Super-Duke zu bauen. Stattdessen kommt nun ein 1149-Kubik-Zweizylinder zum Einsatz. 155 PS Leistung stemmt die RC8. Die 120 Nm Drehmoment lassen meinen Bruder gleich noch ein bisserl bleicher werden.

Durch die Leichtbauweise liegt das Trockengewicht bei 188 Kilogramm. Zur Schwerpunktoptimierung ist der Auspuffendtopf unter dem Drehpunkt der Hinterradschwinge angebracht. Alle Federelemente sind natürlich voll verstellbar und kommen wie erwartet von WP.

Die Bremsanlage von Brembo wird nicht nur eine radiale sondern auch eine radikale sein. Und ich bin jetzt schon radikal begeistert und freu mich auf die Testfahrt.

Eines weiß ich aber noch nicht: Werde ich mein Bruderherz und sein japanisches Kampfeisen mit einer orange-schwarzen RC8 einstampfen oder werde ich, nur weil es besser zu meinem Helm passt, mit der schwarz-weißen angreifen und ihm die Kanten geben?

Aber auf eines muss ich aufpassen: Blut ist dicker als Himbeersaft. Nicht, dass er mir die RC8 vor der Ausfahrt abschwatzt und ich mit seinem Reisstampfer dann der Zweite beim Wirten bin. (Text: Guido Gluschitsch, Fotos: KTM, derStandard.at, 29.11.2007)

Guido Gluschitsch ist Redakteur beim Motorradmagazin.