Musikwissenschafter Goebl arbeitet derzeit an der McGill University Montreal.

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Sanft oder akzentuiert: Der Anschlag gibt der Klavierkomposition den Charakter. Über das Geheimnis des Klanges streiten sich Physiker und Musiker trefflich seit mehr als hundert Jahren. Ist es nur die Geschwindigkeit des Hammers vor dem Auftreffen auf die Saite oder doch die Person und die Art, wie sie die Taste betätigt?

Mit optischen Motion Capture Systemen und einem Computerflügel will Werner Goebl dem Phänomen näherkommen. Dank eines Schrödinger-Stipendiums des zum Wissenschafts- und zum Infrastrukturministerium ressortierenden Wissenschaftsfonds FWF erforscht er am Sequence Production Lab der McGill University in Montreal die physikalischen Bewegungsabläufe von Pianisten bei der Tonerzeugung, insbesondere die Rolle des Tastsinns dabei. Den Musikwissenschafter treibt zunächst die eigene Neugier. Naheliegend wäre es, seine Ergebnisse im Unterricht oder beim Üben einzusetzen.

"Nichts ist einfacher als das Klavier zu studieren", sagt Werner Goebl kühn. Zumindest aus messtechnischer Sicht. Die Mechanik zwischen Spieler und Klangkörper kann man wunderbar erfassen: Anschlagsstärke, Tonlänge und Timing. Als leidenschaftlicher Klavierspieler - mit sieben griff er erstmals in die Tasten - weiß er, dass nach dem Anschlag der Ton verklingt und es keine Chance mehr gibt, ihn auch nur irgendwie zu verändern. Der 34-Jährige wuchs in der Nähe von Regensburg und in Salzburg auf und besuchte nach dem Musischen Gymnasium das Mozarteum.

Mit 19 ging er nach Wien zum Studium der Musikwissenschaft und des Konzertfachs Klavier. Das Doktorat absolvierte er an der Uni Graz. "Wie jeder junge Klavierstudent wollte ich Pianist werden", sagt er. Seine zweite große Leidenschaft - der Computer - ebnete den Weg ins Forscherdasein. Ein Bösendorfer Computerflügel war der Einstieg: Für sein Diplom lud er 22 Kollegen ein, ein paar Stücke einzuspielen und verglich ihre Interpretationen quantitativ. Bei der Aufbereitung des resultierenden "Datenmeers" unterstützte ihn Gerhard Widmer, der ihn dann auch an das Österreichische Institut für Artificial Intelligence (ÖFAI) holte.

Komplexe Interaktion

An und mit Rachmaninoff oder Horowitz hat der überzeugte Brahmsianer bereits geforscht. Die Herausforderung liegt für ihn darin, mehr über die komplexe Interaktion von Komponist, Werk, Interpret, Instrument und letztlich auch das Publikum herauszufinden. Schließlich bestimmt der musikalische Ausdruck, ob jemand eine Aufnahme mag oder nicht. Die Forschung verbindet seine beiden Faibles optimal und so macht es nichts, dass er abends nicht in der Carnegie Hall auftritt.

Akademische Wanderjahre sind für ihn durch nichts zu ersetzen: "Einmal wirklich woanders gewesen zu sein, einmal in einem empirisch ausgelegten Psychologie-Institut gearbeitet zu haben, die Wissenschaftssprache Englisch zu verinnerlichen, mit Top-Leuten zu arbeiten und zu denken", schwärmt er über seinen Forschungsaufenthalt in Kanada. Montreal als Stadt ist für ihn eine spannende Mischung zwischen moderner pulsierender Stadt und entspannter Atmosphäre. Zum Glück studiert seine Freundin, eine Geigerin, seit 2007 ebenfalls an der McGill University. Wenn er nicht gerade Klavier spielt schnappt er sich das Rad oder ein Auto, um ein wenig durch die Landschaft zu fahren. (Astrid Kuffner/DER STANDARD, Printausgabe, 28.11.2007)