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Tatort Wien: Die Zahl der Wohnungseinbrüche hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt

Foto: AP/Zak
In den vergangenen 22 Jahren hat Kontrollinspektor Gerhard Stundner gut 3000 sprengstoffverdächtige Gegenstände untersucht. Bezirksinspektorin Elke Graf wiederum hat vor kurzem entscheidend dazu beigetragen, drei Trickdiebe, die älteren Menschen insgesamt 900.000 Euro abgeluchst hatten, zu schnappen. Und Revierinspektorin Maria Mautner konnte verhindern, dass bei einem Wohnungsbrand eine gehbehinderte Frau in den Flammen ums Leben kam.

Rekordjahr der Bankraube

Ja, es gibt sie noch, die positiven Beispiele, die beweisen, dass die Vertreter der Sicherheitsbehörde in der Bundeshauptstadt – trotz der jüngsten Polizeiskandale – immer noch gute Arbeit leisten. Doch im Hintergrund lauert eine Kriminalitätsrate, die in den vergangenen zehn Jahren gerade bei Delikten, die das subjektive Sicherheitsgefühl bestimmen, explodiert ist (siehe Grafik).

2007 wird, das steht jetzt schon fest, als Rekordjahr der Bankraube in die Geschichte des Kriminals eingehen. Am Dienstag wurde im 15. Bezirk Bankraub Nummer 70 verübt (der als Frau verkleidete Täter aber immerhin gleich geschnappt).

Nichtsdestotrotz fühlen sich die Wienerinnen und Wiener immer sicherer. In einer Umfrage des Focus-Instituts sind fast zwei Drittel der 750 Befragten mit den Leistungen der Polizei, drei Viertel mit dem Katastrophenschutz und knapp mehr als die Hälfte mit dem Bundesheer zufrieden. Noch vor drei Jahren lagen die Werte um bis zu zehn Prozentpunkte darunter.

Gefühlte Sicherheit

Dass die Bevölkerung weiterhin auf staatliche Sicherheitssysteme vertraut, ist für Wolfgang Stangl, den Leiter des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie keine Überraschung. Denn polizeiliche Erfolgs- oder Misserfolgsbilanzen sind nur einer von vielen Tönen im Orchester der "gefühlten" Sicherheit. "Dass die Situation derzeit einigermaßen entspannt ist, hängt beispielsweise auch damit zusammen, dass es in Wien keine ausgeprägten Szenarien von Stadtteilverfall gibt. Das beruhigt", erklärt der Universitätsdozent.

Im internationalen Vergleich komme es in Wien zudem kaum zu massiven Konflikten im öffentlichen Raum. Regelmäßige Ausschreitungen von Hooligans, wie zum Beispiel in Italien, oder Straßenschlachten wie in den Vororten von Paris, würden das Sicherheitsgefühl in einer Stadt massiv beeinträchtigen. Insgesamt habe die Wiener Bevölkerung viel Vertrauen zur städtischen Infrastruktur. Es gebe zwar auch in Wien xenophobe Tendenzen, "aber die sind im Großen und Ganzen nicht mit Furcht verbunden", meint Stangl im Gespräch mit dem Standard.

"Junge, aufmüpfige Leute"

Ob das alles auch in Zukunft so bleiben wird, sei schwer abzuschätzen, sagt der Kriminalsoziologe. In zehn Jahren wird Wien dank Zuwanderung aus dem Ausland rund zwei Millionen Einwohner haben. "Eine wichtige Frage wird sein, wie sich die Polizei im Umgang mit jungen, aufmüpfigen Leuten positioniert", so Stangl. Eine erste Bewährungsprobe dafür könnte die EURO 2008 im kommenden Jahr sein.

Zuwanderung spiele überhaupt eine große Rolle in der Entwicklung der Sicherheitslage. Stangl: "Unkontrolliert kann sie zum Problem werden, wenn ethnische Spaltungen entstehen. Man darf gespannt sein, ob und wie die EU hier regulierend eingreifen kann." Alles, was zur Unzufriedenheit von Menschen beiträgt, ist ein Sicherheitsrisiko.

"Eine weitere Polarisierung der Arbeitsmärkte, die nur mehr hochqualifizierte Posten oder McJobs zur Folge hätte, würde auf jeden Fall Unzufriedenheit schüren", warnt der Experte. Auch bei der Stadtentwicklung müsse man aufpassen. Wenn es in einer Stadt nur mehr elitäre Wohnbezirke, slumähnliche Viertel und Tourismus-Zonen gebe, sei es vorbei mit der sozialen Kohäsion. Und dann wird es richtig ungemütlich. (Michael Simoner, DER STANDARD Printausgabe, 28.11.2007)