Wien – Wiederholungen amerikanischer Serien im Vorabendprogramm, wie sie der ORF mit dem Ende von "Wie bitte?" ab 3. Dezember plant: Da geht Wolfgang Grasser fast das Geimpfte auf. "Ich verstehe das überhaupt nicht." Statt bis zu 15 Jahre alten Folgen von "Die schrecklich nette Familie" oder die mit neun Jahren auch nicht mehr taufrische Hexe "Sabrina" sähe Grasser lieber österreichische Filme und Serien. Dabei überwiegen ökonomische Kriterien. Der heimischen Filmwirtschaft steht das Wasser bis zum Hals.

Die Sendebudgets für österreichische Filme oder Serien sanken von 2001 bis 2007 um 15 Millionen von 41 auf 26 Millionen Euro, für das kommende Jahr veranschlagt der ORF nur mehr 15 bis 20 Millionen Euro. Die soll der Stiftungsrat in seiner nächsten Sitzung am 13. Dezember absegnen. Wie berichtet erwartet der ORF im Jahr 2008 ein Minus von 36,5 Millionen Euro. Geht der Sparplan durch, stehen 2500 Arbeitsplätze auf dem Spiel, warnt unterdessen die eigens dafür ins Leben gerufene "Initiative Film".

Knapp zwei Wochen nachdem die Gruppe auf dramatische Unterversorgung aufmerksam machte, kommen von Seiten der Politik und des ORF vorerst nur verhaltene Reaktionen. Allegro-Chef Wolfgang Grasser, der die Initiative mit weiteren Filmverbänden gründete, hat es so erwartet: "Mit uns hat noch niemand geredet. Natürlich gehen sie jetzt alle auf Tauchstation."

Schleppende Debatte

Dass die Diskussion nicht so recht in die Gänge kommt, liegt aber vor allem am fehlenden Konfliktpotenzial. Denn auf seltsame Weise sind sich alle einig: Wir nehmen Probleme der Filmschaffenden ernst, aber leider sind uns die Hände gebunden. Nikolaus Pelinka, Sprecher von Kunstministerin Claudia Schmied, betont auf Anfrage die Erhöhung der Filmmittel 2007 um 25 Prozent auf 12,176 Millionen. Im konkreten Fall sei aber das Medienministerium zuständig. Im Büro von Doris Bures versteht man die Forderungen, will sich aber zuerst in "ORF-interne Angelegenheiten nicht einmischen". Und am Küniglberg rennen die Filmschaffenden offene Türen ein, meint Programmdirektor Wolfgang Lorenz: "Wir sitzen in einem Boot und bedauern den absehbaren Notstand sehr."

Die Solidarität zwischen ORF und Filminitiative nimmt kaum Wunder. Der Lösungsvorschlag der Künstler ist der Anstalt nur zu genehm. Er lautet: Was der ORF an Gebühren einnimmt, soll ihm auch zu 100 Prozent zukommen. Im Moment kassieren andere kräftig mit. Konkret zahlten die Österreicher 2006 rund 688 Millionen Euro Rundfunkgebühr, nur rund 68 Prozent bekommt der ORF. Mehr als 16 Millionen Euro erhält der Bund für die Kulturförderung sowie 50,7 Millionen an Radio- und TV-Gebühren. 14,25 Millionen Euro fließen über Digifonds und Filmfonds Austria zurück in die Filmwirtschaft. Die Landesabgabe bringt mehr als 100 Millionen Euro. Die Länder setzen die Höhe autonom fest und verwenden das Geld für kulturelle und sportliche Aktivitäten, Kriegsopfer oder Altstadterhaltung. Dieser Teil der Gebühren, den die mächtigen Bundesländer einstreichen – bis zu 4,70 Euro pro Monat – scheint unantastbar.

Bures-Perssesprecher August Reschreiter verweist auf das geplante Modell der neuen Medienförderung, das vorsieht, auch Private zu fördern. Der Verband österreichischer Privatsender fordert dafür 20 Millionen. Soviel will auch das Medienministerium vergeben. Die kämen dann zwar nicht dem ORF, aber doch der heimischen Filmwirtschaft zugute. (Doris Priesching / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.11.2007)