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Wenn er weht, dann leiden wir. Wenn wir leiden, dann, weil er weht, auch wenn er es noch gar nicht weiß.

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+++Pro Von Daniel Glattauer Wenn unser Gehirn obdachlos wird, weil der Schädel darübergesprungen ist, dann war es, (nein, nicht der Alkohol, der würde uns so etwas nicht antun,) dann war und ist es der Föhn. Er ist es aber auch, wenn das linke Ohrläppchen vibriert. Und er ist es, wenn es uns unter dem rechten Nagelbett am dritten Zeh von links juckt. Der Föhn ist es immer. Früher war's der Hofer, heute ist's der Föhn. Ach, was können wir froh sein, dass wir ihn haben! Er bindet das Übel der Welt, erklärt jeden Missstand, überreicht jedem Schmerz persönlich seine Visitenkarte. Er nimmt alles auf sich. Er ist die Geburtsstätte der schlechten Laune, die Maßeinheit der Suderei. Wenn er weht, dann leiden wir. Wenn wir leiden, dann, weil er weht, auch wenn er es noch gar nicht weiß.

Wir müssen nicht mehr mühselig unsere Kindheit aufarbeiten, um zu erkennen, warum wir so schlecht drauf sind. Schuld ist der Föhn. Er ist unser aller Psychotherapeut. Schlimmeres kann uns nicht widerfahren, als dass er einmal zusammenbricht und nicht mehr auf die Beine kommt.

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Contra---
Von Renate Graber

Mit Garantie, es gibt mehrere Sätze, die zu hören in der Früh unvergnüglich sind, die Unheil versprechen für die Seele, Unbill für den Tag, manchmal für länger. Diese Drei-Worte-Sätze, die den einzig real existierenden wärmenden Drei-Worte-Satz in der Nanosekunde im Herzen verdampfen lassen und die sich so anhören wie: "Ich gehe jetzt", "Eine Minute noch", "Ich muss heim" oder, vergleichsweise anständig, "Gibt's schon Kaffee?"

Alles nichts, gemessen an jenem Drei-worter, der morgens verzweifelt aus dem Liebsten hervorbricht: "Ich. Habe. Kopfweh". Oder, im bösesten Fall, im M-Satz gipfelt: "Ich. Habe. Migräne." Natürlich, man hätte gewappnet sein, verdunkeln, Medikamente herbeischaffen müssen, es kommt ja am Vortag im Radio in Form eines warnenden Wortes daher: Föhn. Aber wer glaubt schon der Wettervorhersage.

Ich gebe es zu. Ich. Hasse. Föhn. Sagt mir alle Dreiworter dieser Welt, nur nicht den M-Satz. Lasst den Kopfschmerz, lasst die Migräne, lasst die Lustlosigkeit. Lasst den Föhn, wo er hingehört, von mir aus in Innsbruck. (Der Standard/rondo/30/11/2007)