Der Adventkranz wurde angeblich vom Hamburger Theologen Johann Heinrich Wichern im Jahr 1839 erfunden, um den ihm anvertrauten Zöglingen die Vorweihnachtszeit zu veranschaulichen.

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Wann, Mama, fragt das Kind streng, kaufst du endlich unseren Adventkranz? Wenn ich einen gefunden habe, der dem Auge andeutungsweise erträglich ist, lautet die Antwort. Immerhin müssen wir mindestens vier Wochen mit ihm in allernächster Nähe verbringen.

Und überhaupt - Gegenfrage: Kind, bist du sicher, dass wir einen haben wollen? Reicht nicht Keksebacken? Antwort (Pistolenschuss): Nie im Leben! Ohne Adventkranz heißt ganz Weihnachten nix.

Na gut. Die Bürden der Tradition lasten zumalen in der Vorweihnachtszeit schwer auf unseren Schultern. Aber bitte, wir begeben uns also nicht nur auf die Suche nach Lebkuchenrezepten, die kaubare und verdauliche Resultate zeitigen, sondern auch auf die nach einem erträglichen Adventkranz. Du bist spät dran, bemerkt das Kind dazu nur spitz, alle anderen haben längst einen.

Brautstrauß und Friedhofskranz

Aber wenigstens auf ein paar Grundparameter wird man sich innerfamiliär noch einigen dürfen, und die lauten: Er darf nicht ausschauen wie eine weihnachtlich modifizierte Kombination aus von ehrgeizigen Floristen gebundenem Brautstrauß und Friedhofskranz.

Er sollte sich vielmehr in den christlichen Tugenden der Zurückhaltung und Bescheidenheit üben, also möglichst einfach sein.

Im Idealfall besteht er aus beim rechten Mond geerntetem Reisig - weil dann nadelt er nicht, was jetzt kein esotherisches Gebrabbel, sondern eine Tatsache ist. Des Weiteren darf er über nicht mehr als die obligaten vier Kerzen verfügen, die möglichst dezent gefärbt und von ansprechendem, brauchbarem Durchmesser zu sein haben.

Keine Kinkerlitzchen, kein Kitsch, kein Ballast.

Nein, sagt das Kind, es müssen auch Verzierungen drauf sein. Welche, um Christi Willen? Zum Beispiel getrocknete Orangenscheiben. Oh Gott!

Getrocknete Orangenscheiben

Nehmen wir es also als Prüfung hin, einen schlichten Adventkranz zu finden. Aber es gab ja auch noch düsterere Zeiten als die heutigen. Zum Beispiel sind die in den 70er-Jahren noch sehr beliebten Applikationen von Kunstäpfelchen aus Papiermachee mit glänzendem gelb-rotem Lacküberzug mittlerweile zum Glück fast zur Gänze aus der Adventkranz-Mode verschwunden. Desgleichen die aus sehr vielen Gewürznelken zusammengeklebten Duftkonstruktionen derselben Epoche, samt den sie überspielenden gezackten Goldfädengespinsten und den roten Samtmaschen.

Dagegen sind getrocknete Orangenscheiben ja nachgerade öko. Apropos Bescheidenheit: Der Adventkranz wurde angeblich vom Hamburger Theologen Johann Heinrich Wichern im Jahr 1839 erfunden, um den ihm anvertrauten Zöglingen die Vorweihnachtszeit zu veranschaulichen.

Er steckte gleich für jeden Tag eine Kerze auf ein Wagenrad, für die vier Sonntagskerzen verwendete er größere. Vielleicht ist das die Lösung. Wir machen den Kranz selbst. Vorausgesetzt das Kind stimmt zu. Aber wie, o Heiland, trocknet man Orangenscheiben? (Ute Woltron/Der Standard/rondo/30/11/2007)