Büchl-Krammerstätter: Gesamtsystem Luft erfassen

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Ein ganz normaler Messtag in Wien. Die Luftgüte war am Mittwochnachmittag: "Gut" bis "sehr gut" – sogar beim Feinstaub. Nur ein Wert sticht heraus: Stickstoffdioxid (NO2) am Hietzinger Kai: "Unbefriedigend". Und das ist keine Ausnahme. Im Gegenteil.

"Seit 2005 haben wir regelmäßig Grenzwertüberschreitungen bei NO2", bilanziert Karin Büchl-Krammerstätter, Leiterin der Wiener Umweltschutzabteilung MA22. Das heißt: Nach zwei "Maßnahmenprogrammen Feinstaub" muss die Stadt Wien jetzt eine Statuserhebung und bis Mitte 2009 ein weiteres "Maßnahmenprogramm NO2" erstellen.

Luftschadstoffe

Für Büchl-Krammerstätter ist dies eine Bestätigung dafür, "dass es keinen Sinn macht, nur über das Problem Feinstaub oder Ozon zu reden. Nur ein integrativer Ansatz, der das Gesamtsystem mit allen Luftschadstoffen erfasst, kann uns weiter bringen."

Tatsächlich steckt hinter dem "neuen" NO2-Problem eine fatale Wechselwirkung. Denn diese Grenzwertüberschreitungen treten nur bei Messstellen an verkehrsreichen Straßenrouten auf. "Da geht es nicht mehr, wie etwa beim Feinstaub, auch um importierte Schadstoffe – das ist hausgemacht", betont Büchl-Krammerstätter.

Sauerstoffatom

Eine der Hauptursachen ist paradoxerweise "das Abgasverhalten der neuesten Fahrzeuge", wie man in der Luftmess-Abteilung der MA22 weiß. Ausgerechnet die Partikelfilter, die neue Dieselfahrzeuge zum Schutz vor Feinstaub eingebaut haben, sind mit einem sogenannten Oxikat versehen. Und der reichert sofort das vorerst harmlose Stickstoffmonoxid zu NO2 an. In Summe bleibt sich's allerdings gleich. Da das Stickstoffmonoxid später ohnehin mit einem zweiten Sauerstoffatom angereichert wird – nur eben in anderer Verteilung und nicht in so geballter Ladung wie am Hietzinger Kai.

Dass aber etwas getan werden muss, steht außer Zweifel: "Stickoxide sind ja wiederum Vorläufersubstanzen für Feinstaub und Ozon", sagt Büchl-Krammerstätter. Welche Maßnahmen nun tatsächlich in das NO2-Paket kommen, ist noch offen – es ist aber "absehbar, dass es in Richtung Verkehr gehen wird". Um das Gesamtsystem Luft zu verbessern, gehe es "um das Verhalten jedes Einzelnen, um die Vorbildwirkung in den eigenen Reihen – wie die Fahrzeugflotte der Stadt –, Kooperationen mit dem Umland – Stichwort Pendler – und um Maßnahmen, die der Bund setzen wird müssen", betont die MA22-Chefin.

Manches sei aber auch leichter lösbar: "Die Abgase durch Dieselaggregate bei Veranstaltungen und Baustellen könnten relativ einfach durch einen ordentlichen Stromanschluss vermieden werden." (frei/ DER STANDARD Printausgabe 29.11.2007)