ModeratorIn: derStandard.at begrüßt Herrn Böhler im Chat, wir freuen uns auf eine spannende Diskussion.

Eduard Böhler: Hallo ihr da draußen. Ich freue mich auf eure Fragen.

macmedia: Was meinen Sie wo liegt Österreich in Punkto Kreativität und Werbung im Vergleich zu anderen Ländern der EU?

Eduard Böhler: Österreich war früher sehr weit zurück, ein geschützter Markt mit eigenen kommunikativen Gesetzen. Die letzten Jahre haben wir eine wesentliche Änderung gebracht, eine Öffnung. Wir haben massiv aufgeholt und liegen im internationalen Vergleich immer besser.

Userfrage per Mail: Wie wird man eigentlich CCA-Mitglied? Welche Kriterien gibt es?

Eduard Böhler: Durch formlosen Aufnahmeantrag unter Beifügung eine Portfolios und Angabe der bereits erzielten Auszeichnungen. Ich sage ganz deutlich, auch wer bei CCA noch nichts gewonnen hat, kann diesen Antrag stellen. Wir freuen uns über jedes neue exzellente Mitglied, das neue Ideen in den Club mit einbringt. Der Vorstand entscheidet über jeden Antrag einstimmig nach dem Kriterium der kreativen Qualität des eingereichten Portfolios. Gerade in den letzten Monaten haben wir viele neue Mitglieder aufgenommen.

183ff54e-3492-4ff2-98f5-4b82c1a7b555: Was genau interessiert Sie an der Werbebranche, was nervt?

Eduard Böhler: Besonders interessiert mich in einem meist sehr schmalen Korridor des laaaangen Pflichtenheftes einer Kampagne dann doch eine überraschende kreative Lösung zu finden, sozusagen Kreativität unter schwerstmöglichen Bedingungen. Was mich nervt, wenn das Vertrauen in unsere Arbeit fehlt.

Userfrage per Mail: Ich hab gelesen, Sie sind eigentlich Jurist, Sie haben also keine Ausbildung im Werbebereich?

Eduard Böhler: Es stimmt, ich bin Jurist. Habe den Job durch learning by doing gelernt, noch dazu in der eigenen Firma. Ich kanns selbst kaum glauben.

Userfrage per Mail: Was empfehlen Sie jungen Menschen, die in die Werbung wollen?

Eduard Böhler: Nichts glauben was einem jemand sagt, keine Regeln akzeptieren, alles selbst durchdenken und kämpfen für die eigene Lösung bis zum umfallen.

Userfrage per Mail: Welche Ausbildung im Werbebereich (national und international) empfehlen Sie?

Eduard Böhler: Es kommt natürlich darauf an, in welchem Bereich des "Werbebereiches" man tätig ist. Es gibt eine Vielzahl universitärer Ausbildungswege die wir hier nicht aufzählen müssen. In der Kreation gilt aber immer wieder: die Leute kommen aus den verschiedensten Bereichen, eine Regel für den Ausbildungsweg lässt sich einfach nicht aufstellen. Vielleicht ist es ähnlich wie in der Kunst.

Userfrage per Mail: Der CCA will sich ja gegen Awardflut einsetzen, welche Preise sind wichtig, welche sollten nicht beachtet werden?

Eduard Böhler: Unser Eintreten gegen die Awardflut darf nicht so verstanden werden, dass wir jetzt quasi einen Katalog an sinnvollen und weniger sinnvollen Awards aufstellen. Ich würde es so sagen: Jeder, der die Branche kennt weiß, dass man international wie national vielleicht mit jeweils 5 Awards auskommt um ein klares Bild zu kriegen welche Kampagnen wirklich gut sind. Wenn das ungefähr alle einhalten würden müssten wir die Awardflut nicht mehr diskutieren.

Userfrage per Mail: Sie meinten im Interview mit derStandard.at/Etat, bei Awardflut soll hier die Fachpresse ein regulativ sein, d.h. die Fachpresse soll über manche Preise nicht mehr berichten oder wie schaut hier ihr Plan aus?

Eduard Böhler: Es geht nicht darum, dass die Fachpresse nicht mehr berichtet, sondern darum, dass sie die Hintergründe der einzelnen Awards stärker beleuchtet. Also: gibt es eine Expertenjury? Wer sind die Mitglieder der Jury? Nach welchen Kriterien wird juriert? Ist der Award vielleicht Teil eines internationalen Systems, wie z.B. der CCA oder auch der EFFIE?

Userfrage per Mail: Was ist eigentlich so schlimm daran, wenn ein Auftraggeber 15 Agenturen pitchen lässt, ist doch sein gutes Recht, oder? Wenn die Agenturen hier mitmachen, dann ist das doch ihre Sache, oder?

Eduard Böhler: Nein, es ist einfach nicht gut für den Markt, weil letztlich müssen die Kosten der 14 Agenturen die nicht gewonnen haben, wieder auf die Auftraggeber übergewälzt werden, d.h. die Wirtschaft zahlt als Ganzes für die Fehlentwicklung des Systems. Ein Auftraggeber der 15 Agenturen pitchen lässt kann auch nicht alle detailliert informieren oder sich mit den einzelnen Arbeiten wirklich befassen, d.h. er bekommt tendenziell eine schlechtere Kampagne als wenn er vorher ordentlich screent und sich dann mit 3 Agenturen wirklich auseinandersetzt. Außerdem ist es für alle Beteiligten frustrierend, statistisch gesehen 14 Mal zu verlieren und einmal zu gewinnen. Es ist verlorene unproduktive Arbeit.

anatol wundermann: wie kann man die werbewelt aus ihrem selbstverliebten dornröschenschlaf wecken - siehe awardflut - und sie wieder näher zu demjenigen bringen, der sich die werbung anschauen muss und meist gar nicht will. gilt es nicht vor allem beim kunden da den h

Eduard Böhler: Kunde und Agentur sind immer ein Team, das gemeinsam gewinnt oder eben auch verliert. Für die Agentur heißt das, wie in jeder anderen Beziehung auch, echte Beziehungsarbeit zu leisten, damit dieses Team überzeugend und schlagkräftig kommunizieren kann. Keine Agentur kann sich auf den Kunden ausreden.

183ff54e-3492-4ff2-98f5-4b82c1a7b555: Haben Sie die Aufregung um die "Sodomie-Kampagne" (Jung von Matt/Neckar) in Deutschland mitverfolgt. Wenn ja, wurde ihrer Meinung nach die "Grenze der Geschmacklosigkeit" überschritten?

Eduard Böhler: Die Grenze der Geschmacklosigkeit liegt bei jedem wo anders. Ich persönlich würde diese Kampagne so nicht machen, weil ein Frauenbild vermittelt wird, das wir eigentlich schon überwunden geglaubt haben. Ich glaube auch, dass sie keine Auszeichnungen erhalten wird.

183ff54e-3492-4ff2-98f5-4b82c1a7b555: Wer ist in der Werbebranche ihr persönliches Vorbild? Wo holen Sie sich ihre Inspiration?

Eduard Böhler: Ich habe kein persönliches Vorbild und glaube, dass gerade in unserer Branche die Orientierung an Bestehendem, also auch Vorbilder nicht wirklich weiter führt. Das Beste ist, sich die Inspiration auch von überall außerhalb unserer Branche zu suchen, bei den Dingen die die Menschen bewegen.

Userfrage per Mail: Wieso ist das Kupferthema Ihrer Meinung nach hierzulande so emotionalisiert?

Eduard Böhler: Das Thema des Plagiats (sie sehen ich bin nicht so blöd, das Unwort wieder in den Mund zu nehmen) ist nicht nur hierzulande so emotionalisiert, sondern international. In Wirklichkeit geht es um die weltweite Zugriffsmöglichkeit auf einen riesigen Pool an Ideen und Kreativität, wo sich immer die Frage stellt, wer hat jetzt wirklich die kreative Leistung erbracht. Sie haben dieses Problem genauso in der Musik. Unsere viel zitierte Doppelgängerregelung ist das bisher beste Instrument mit diesem Problem umzugehen. Ist eine Arbeit wirklich mit einer andern ident, ist es nunmehr völlig egal ob man das Original kennt oder nicht, bzw. ob man vielleicht wirklich zufällig auf die gleiche Lösung gekommen ist (wenn auf der Welt 2000 Leute über ein Problem nachdenken, kommen eben vielleicht 20 auf eine ähnliche Lösung), es zählt einzig und allein, welche Arbeit zeitlich früher erschienen ist. Man muss sich das vorstellen wie auf dem Patentamt: Pech, ist leider schon erfunden. Diese Arbeit wird definitiv aus der Wertung genommen.

ModeratorIn: Und bei Arbeiten, die ähnlich sind?

Eduard Böhler: Das ist die viel schwierigere Aufgabenstellung für die Jury: Sie muss genau prüfen, ob die Arbeit genug eigene kreative Kraft hat um zu bestehen, ob sie vielleicht eine rasend originelle Weiterentwicklung oder Neuinterpretation ist, oder eben doch nur ein blasses Zitat. Vor dieser Aufgabe stehen die Jurys international, kein noch so gutes Regelwerk kann sie davon entbinden.

anatol wundermann: wann wird es beim cca endlich juroren geben, die nicht selbst aus den größten (wiener) agenturen kommen, internationale zb., um für allemal den vorwurf des preiseschacherns vom tisch zu haben?

Eduard Böhler: Das Regelment hat insbesondere durch die geheime Abstimmung in den ersten Runden, und die elektronische Auswertung den Spielraum für Lobbying auf nahezu Null gebracht. Jeder der in den letzten Jahren in einer CCA Jury gesessen ist kann das bestätigen. Die Juroren kommen breit aus den Mitgliedern des CCA, also keineswegs nur aus Wien oder großen Agenturen. Internationale Juroren werden nach Möglichkeit zugezogen, aber es ist letztlich eine Frage der Finanzierung, weil jeder internationale Juryteilnehmer ganz einfach Geld kostet. Wir werden heuer den Modus nochmals verbessern, indem die Juryvorsitzenden einem speziellen Training unterzogen werden, das aktuelle Branchentrends und Problemstellungen beleuchtet.

Userfrage per Mail: Gemeinsam mit Peter Drössler haben wir für die Fachgruppe Werbung Wien + den Fachverband Werbung mit Tibor Barci das Gespräch über eine Kreativakademie für Österreich aufgenommen. Werden Sie das Konzept mit uns gemeinsam weiter verfolgen?

Eduard Böhler: Natürlich ist die Kreativakademie ein wesentliches Gesprächsthema zwischen CCA und Fachverband. Im Übrigen treffe ich Peter Drössler morgen früh.

to mate: Kürzlich wurde vermeldet, dass ÖsterreicherInnen durchschnittlich 173 TV-Spots/Woche sehen, im internationalen Vergleich (466) eher wenig. Geht da noch mehr, wie siehen Sie das als Kreativer?

Eduard Böhler: Der Konsument verträgt soviel, wie wir es schaffen, ihm spannende Kommunikation zu geben. Natürlich kann das Limit in Wahrheit nicht mit 173 Spots fest gemacht werden.

183ff54e-3492-4ff2-98f5-4b82c1a7b555: Zum Thema kreative Online-Werbung: Haben die Agenturen den Stellenwert noch nicht erkannt, weil es wenige eigens fürs Internet kreierte Kampagnen gibt?

Eduard Böhler: Ich glaube es geht immer um den Inhalt einer Kampagne, um die Botschaft, und man muss sich für jedes Medium überlegen auf welche Weise man hier die Leute wirklich erreicht und ins Herz trifft. Das Internet kann dies heute wohl bereits besonders gut, und ist bei kreativer Nutzung fas unschlagbar, andererseits gibt es dort auch besonders viel Werbung die den User wirklich nervt, d.h. der Anspruch an den Kreativen ist hier besonders hoch.

Userfrage per Mail: Werbesteuer: Wollen Sie hier gemeinsam mit dem Fachverband vorgehen? Was will der CCA zu diesem Thema konkret tun?

Eduard Böhler: Der CCA ist Mitglied in der Plattform "Wirtschaftsmotor Werbung" und unterstützt explizit die Bestrebungen zur ersatzlosen Abschaffung der Werbeabgabe, die volkswirtschaftlicher Unsinn ist.

Userfrage per Mail: Stichwort Werbeverbote: Was kann hier der CCA tun, damit diese nicht noch mehr werden?

Eduard Böhler: Einerseits überzeugen, dass die Werbebranche sehr wohl in der Lage ist, hier eine Selbstkontrolle zu leisten. Auch hier ist der CCA in der Plattform "Wirtschaftsmotor Werbung" aktiv. Andererseits aber so gute Kreationen in Österreich fördern, dass der Ruf nach Werbeverboten weniger oft ertönt.

Mann_von_Pimperella: Was sagen sie jemandem der sagt, Werbung dient nur einem Zweck, nämlich dem künstlichen Stimulieren von Bedürfnissen?

Eduard Böhler: Werbung kann auch dazu dienen, echte Bedürfnisse besser zu befriedigen. Wirtschaft ohne Werbung funktioniert nicht. Wir wollen ja auch nicht die Wirtschaft abschaffen, oder?

archivar #1: Die langweiligsten Feste auf denen ich jemals war, waren CCA-Feste. Die Leute schienen von ihrer Wichtigkeit und Coolness förmlich gelähmt. Haben Sie Hoffnung, dass jemals eine Mindestmaß an Gelassenheit und Selbstironie auch die Werber heimsuchen w

Eduard Böhler: Gut, wir nehmen das Thema Selbstironie auf die CCA-Agenda. Bitte weiter auf die Veranstaltungen kommen, und sich vom Ergebnis überzeugen!

Manfred Bieder: Haben Sie 39,90 von Frederic Beigbeder gelesen? Geht es in der Werbebranche tatsächlich so arg zu (Stichwort: Lotterleben)? Falls ja: Wo kann ich mich bewerben ;-) ?

Eduard Böhler: Naja, ich habe das Gefühl, wir schauen alle eher ein bisschen krank und blass aus, laufende Drehs mit Topmodells auf den niederländischen Antillen gibt''s nicht wirklich, also besser doch bei der Versicherung bewerben, viel Glück!

ModeratorIn: derStandard.at bedankt sich bei Herrn Böhler für den Besuch und bei den UserInnen für die zahlreichen Fragen, wir wünschen noch einen schönen Tag.

Eduard Böhler: Danke euch auch!