Weltbank-Vize Shigeo Katsu

Foto: STANDARD/Fischer
STANDARD: Die Finanzkrise macht vor Osteuropa nicht halt. Wie beurteilen Sie die Situation?

Katsu: Weltbank, IWF und Europäische Zentralbank weisen schon seit geraumer Zeit auf die Gefahren in gewissen Ländern der Region hin. Besonders die baltischen Staaten und Südosteuropa sind wegen der Überhitzung verwundbar. Generell gilt, dass Länder mit großen Leistungsbilanzdefiziten und fixen Wechselkursen verwundbarer sind.

STANDARD: Sind Sie in Alarmbereitschaft?

Katsu: Nein, wir machen uns aber größere Sorgen um einige Länder in Zentralasien.

STANDARD: Um Kasachstan, das wegen der hohen Auslandsverschuldung der Banken unter Druck geriet?

Katsu: Sicher auch um Kasachstan. Das Bankensystem kränkelt von der Liquiditätsseite her, weil es vom Euromarkt abhängig ist.

STANDARD: Läuft Österreich mit seiner starken Stellung in der Region Gefahr, von einer möglichen Krise erfasst zu werden?

Katsu: Die starke Position Österreichs in Zentral- und Osteuropa ist eine Erfolgsgeschichte. Österreich ist wahrscheinlich das Land, das von der Öffnung 1989 am meisten profitiert hat. Die Unternehmen haben viel Courage gezeigt. Das Risikomanagement ist natürlich sehr wichtig. Da die österreichischen Banken die Marktführer in der Region sind, könnte das einen Einfluss haben. Aber die Institute sind sehr solide - hoffentlich.

STANDARD: Anderes Thema: Wie beurteilen Sie die große Einkommenskluft in Osteuropa?

Katsu: Die Situation ist besser als in Lateinamerika oder Ostasien. Im Augenblick haben wir noch Zeit, eine Zunahme der Ungleichheit zu verhindern. Etwa durch den Aufbau besserer Sicherheitsnetze und zielgerichtete Sozialmaßnahmen.

STANDARD: Ist die dominante Stellung der öffentlichen Hand ein Problem?

Katsu: Im ganzen Transitionsprozess ging man davon aus, dass der Staat alles kann. Wie hoch der Anteil des Staates letztlich ist, hängt stark von den Sozialleistungen und der politischen Kultur ab. Das müssen die einzelnen Länder selbst beantworten. Die große Herausforderung ist, dass die Konvergenz mit Europa vom Privatsektor herbeigeführt wird. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1./2.12.2007)