Das Auge des elektronischen Wächters in der Industrie ist unbestechlich. Zuverlässig erkennen Kameras heutzutage, ob Gussteile Kratzer, Riefen oder Löcher aufweisen, elektronische Bauteile richtig beschichtet worden sind und Druckbilder auch das zeigen, was sie zeigen sollen. Häufig wird diese sogenannte optische Endprüfung von Oberflächen sogar noch manuell von menschlichen Prüfern vorgenommen.

Nicht unbedingt, weil der Mensch bessere Ergebnisse erzielen würde – die monotone und äußerst anstrengende Aufgabe ist eigentlich prädestiniert, um vom Computer übernommen zu werden. Nur: Für eine Automatisierung muss das Wissen der Prüfexperten in Software abgebildet werden. Und dieser Prozess kann doch mehrere Monate dauern, da die Software so lange per Hand verbessert wird, bis sie hinreichend gute Ergebnisse erzielt beziehungsweise mit den Entscheidungen des Menschen mithalten kann.

Das Zentrum für angewandte Produktionsforschung Profactor in Steyr entwickelt daher zusammen mit Partnern aus ganz Europa Methoden, mit denen dieser langwierige Prozess vereinfacht und stark verkürzt werden kann. „Beim Projekt DynaVis statten wir das Kamera-Prüfsystem mit einer selbstlernenden Komponente aus, die eine automatische Anpassung an die Entscheidungen des menschlichen Experten ermöglicht“, erklärt Christian Eitzinger, Leiter Industrielle Bildverarbeitung bei Profactor. Bei dem Vorhaben kooperiert man mit der Johannes-Kepler-Universität Linz.

Gussteile bewerten

„Wir erstellen die Software, die diese Abweichungen bewertet und schließlich entscheidet, ob ein Produkt, wie etwa ein Gussteil grob gesagt „gut“ oder „schlecht“ ist“, beschreibt Roland Richter vom Institut für wissensbasierte mathematische Systeme an der Kepler-Universität seine Arbeit. Man gehe dabei davon aus, dass sich in den gewonnenen Bilddaten mehrere Fehlerklassen unterscheiden lassen. Im einfachsten Fall seien das eben die beiden Klassen: „gut“ und „schlecht“.

Viele Oberflächenuntersuchungen erfordern aber eine differenziertere Fehlerunterscheidung beispielsweise in Kratzer, Sprung oder etwa Farbabweichung. „Das kommt ganz auf die Problemstellung an“, so Richter. Damit die Software aus Linz auch diese Klassifikation leisten kann, gibt es allerdings eine Vorbedingung: Ein Experte muss schon einmal eine Vielzahl von Bildern entsprechend als „gut“ beziehungsweise „schlecht“ oder eben als „Kratzer“ und „Sprung“ bewertet haben.

„Das sind bei Gussteilen in der Regel rund 1000 vorbewertete Bilder“, sagt Eitzinger. Nach dem Vorbild dieser Voreinteilung könne das Programm dann die Klassifikation künftiger Oberflächen selbstständig erlernen. „Eine völlige Übereinstimmung mit den Entscheidungen von menschlichen Experten ist zwar illusorisch, aber im Rahmen von DynaVis haben wir bereits Methoden entwickelt, die in mehr als 98 Prozent der Fälle mit der Bewertung des Menschen übereinstimmen“, sagt Richter.

Das sei allerdings nur die Quote der Erkennung bei fehlerhaften Bauteilen. Rechnet man die einwandfreien mit ein, erreichen wir im gesamten Produktionsprozess 99,9 Prozent“, sagt Eitzinger. Und das nicht in erst nach Monaten, sondern bereits nach einigen Tagen. (Denis Dilba/DER STANDARD, Printausgabe, 5. Dezember 2007)