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Wie soll die EZB auf steigende Inflation und nachlassende Konjunktur reagieren? Ein kaum machbarer Spagat.

Foto: Reuters, Montage: Friesenbichler
Die Finanzminister der EU waren sich über den richtigen wirtschaftspolitischen Kurs am Dienstag in Brüssel nicht einig.

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Ist für die Wirtschaft der Eurozone die zunehmende Teuerung die größte Gefahr, oder ist das langsamere Wirtschaftswachstum der Punkt, an den die Wirtschaftspolitiker zuerst denken sollten?

Diese Frage stand im Mittelpunkt der Beratungen der EU-Finanzminister. Während die Niederlande klar die Inflation als die größere Gefahr bezeichneten und sich damit indirekt eher für Zinserhöhungen aussprachen, sagte der portugiesische Finanzminister und Ratsvorsitzende Fernando Teixeira dos Santos, die Wachstumsrisiken seien eindeutig schlimmer, was eine Zinssenkung bedeuten würde. "Wir müssen sehen, ob das nur eine Spitze war oder sich eher verstetigt. Es ist noch zu früh, dies zu beurteilen", sagte Teixeira dos Santos über den jüngsten Preisschub.

Steinbrück "nicht besorgt"

Optimistisch zeigte sich Deutschlands Finanzminister Peer Steinbrück. Er sei nicht besorgt über die Inflation, und die Konjunktur werde allenfalls einen leichten Dämpfer abbekommen. Trotz der Risiken seien gute Wachstumszahlen für 2008 zu erwarten.

Der wirtschaftspolitische Spagat könnte sich dennoch als schwierig erweisen: Steigende Zinsen würden die Inflation einbremsen, aber auch das Wachstum weiter verlangsamen, während sinkende Zinsen genau den umgekehrten Effekt hätten: Mehr Wirtschaftswachstum, aber auch eine drohende Preisspirale durch weiter steigende Löhne und damit wieder teurer werdende Konsumartikel.

"Wir müssen diesen Risiken begegnen", sagte der Vorsitzende der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, am Beginn eines Treffens mit dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet. Die Teuerungsrate war im November in der Eurozone auf drei Prozent und damit den höchsten Stand seit Mai 2001 geklettert. Doch gleichzeitig sind die Risiken für die Konjunktur mit dem im Verhältnis zum US-Dollar hohen Euro-Kurs und der anhaltenden Krise an den Kreditmärkten gewachsen. Die EU-Kommission hat ihre Erwartungen in der aktuellen Herbstprognose um 0,3 Prozentpunkte zurückgenommen und erwartet für die Eurozone für heuer 2,6 Prozent und für 2008 2,2 Prozent.

Beibehaltung erwartet

Experten erwarten, dass die Notenbanker den Leitzins am Donnerstag bei ihrer nächsten Sitzung bei vier Prozent belassen werden. Die EZB hatte eine für September bereits fest ins Auge gefasste Erhöhung wegen der Finanzkrise ausfallen lassen, um das Wachstum nicht zu gefährden und auch seitdem nicht an der Zinsschraube gedreht.

Die Arbeitslosigkeit ging im Oktober im Vergleich zum September erneut zurückging und erreichte mit 7,2 Prozent den niedrigsten Stand seit 1999. Doch auch das wird von Experten als Inflationsrisiko bezeichnet: "Die EZB wird den engeren Arbeitsmarkt wohl als anhaltende Gefahr werten, dass die Löhne in den kommenden Monaten anziehen könnten. Andererseits stützen die Daten auch das Wachstum", sagte Howard Archer von Global Insight.

Auch die EZB selbst sieht erhöhte Wachstumsrisiken: Die Unsicherheit habe sich verstärkt, sagte Trichet. "Wir sehen das Basis-Szenario mit Abwärtsrisiken behaftet", sagte er vor dem französischen Ausschuss zur Entwicklung des Wachstums. Zudem wirkten sich exzessive Schwankungen bei den Wechselkursen negativ auf das Weltwirtschaftswachstum aus.

Der Euro ist jüngst auf ein Rekordhoch von 1,4873 Dollar gestiegen und nähert sich der psychologisch wichtigen Marke von 1,50 Dollar. (Michael Moravec aus Brüssel, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.12.2007)