Karel Appel: Akt 12 (Acryl und Ölkreide auf Papier)

Foto: Albertina
Wien - "Der Akt ist infiziert mit dem Akademischen", erklärte Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder bei einer Pressekonferenz. "Er ist also sicher nicht das erste, woran man bei Karel Appel denken würde." Und doch schuf der niederländische Künstler, für den die Abkehr vom Akademischen und die impulsive Inspiration aus dem Unbewussten als künstlerische Leitlinien galten, eine Serie von Aktzeichnungen, die die Albertina noch bis 3. Februar in der Pfeilerhalle zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert.

In seinen letzten Schaffensjahren, zwischen 1984 und 1989 entstanden, geben die 12 "monumentalen Aktzeichnungen" - für deren Format sich Appel eigens eine übergroße Zeichentafel anfertigen ließ - Zeugnis von der tiefen Verankerung dieser Leitlinie. So tief, dass sie gar die "akademische Disziplin" des Aktes in ein einen starken, schnellen zeichnerischen Impuls wandeln konnte. "Der Körper funktioniert bei ihm als ein direkter sinnlicher Reiz, der ihn aus seiner Seele sprechen lässt", erläuterte Franz Kaiser vom Gemeentemuseum Den Haag. Neben dem impulsiven Umsetzen dieses Reizes in fließende, expressionistische Linien, die vom Modell völlig unabhängig zu sein scheinen, zeugen andere Bilder der Serie aber auch von präzisem räumlichen Darstellungsinteresse.

Mimesis in Violett und Ocker

So ist schon Appels Farbwahl bezeichnend für seine Annäherung an die Mimesis: Helle Blau-, Violett- und Ockertöne lehnen sich, in Abkehr von seinen Lieblingsfarben Rot, Blau und Gelb, beinahe an die realistische Körperfarbe an. Und auch seine Formensprache scheint den expressiven Drang nach abstrakter Unmittelbarkeit gezähmt zu haben. Klare Konturen, ausladende Rundungen, räumlich angeordnete Positionen werden sichtbar, gehen aber nie mit einem Interesse für das modellierte Individuum einher, zeigen nie die Merkmale eines bestimmten Gesichts. "Er untersucht nicht die individuelle Persönlichkeit oder die Lebenssituation eines bestimmten Modells", so Schröder, "sondern macht existenzielle Aussagen über den Menschen in seiner Nacktheit."

Dass diese Bilder nun zum ersten Mal gezeigt werden, ist einer Schenkung an die Albertina zu verdanken, für Franz Kaiser der ideale Ort um sie zu zeigen. "Hier in Wien gibt es noch eine unvoreingenommene Betrachtung auf das Werk". Appel habe sich lange von der "CoBrA"-Schublade befreien wollen - die von ihm 1948 mitbegründete Künstlergruppe habe zwar eine Initialzündung, aber eigentlich nur eine kurze Phase seines Werkes bedeutet - und gerade die spät entstandenen Akte könnten im Kontext seines Gesamtwerkes als Abkehr von den Idealen der Gruppe, der puren Umsetzung des Unbewussten, der völligen Ausschaltung des kritischen Geistes gesehen werden. Ein Ideal, das im Laufe seines Schaffens jedoch nur gereift zu sein scheint, das durchleuchtet aus dem Wechselspiel zwischen der vorsichtigen Annäherung an die Körperstudie und der rasch aufs Papier geworfenen Körperahnung. (APA)