Diese Woche haben wir erfahren, wie Gesetze in Österreich entstehen: Österreich hat eine Justizministerin, die Gesetzesvorlagen, die eine so heikle rechtliche Materie wie die Einrichtung eines Asylgerichtshofs betreffen, nicht liest - aus Zeitmangel. Dann zustimmt, später Kritik daran übt; schließlich zur Erkenntnis kommt, "das ist so hinzunehmen", obwohl ihre Bedenken, dass nur der Innenminister, nicht aber der Asylwerber noch zu einer dritten Instanz gehen kann, nicht ausgeräumt sind. Eine Justizministerin, die einen derartigen Eingriff in den Rechtsstaat mitträgt, ist rücktrittsreif.

Denn Maria Berger räumt im Standard-Interview ein, "der schönere Weg wäre gewesen, wenn es ein Begutachtungsverfahren gegeben hätte". Warum ist dann nicht dieser schönere Weg gegangen worden?

Dann gesteht am gleichen Tag die Nationalratspräsidentin im "ZiB 2"-Gespräch ein, dass sie "nicht jeden Gesetzestext liest". Und: "Mir wäre es lieber gewesen, dass gerade dieses wichtige Verfassungsgesetz in die Begutachtung gegangen wäre." Warum ist dann dieses für wichtig befundene Gesetz zum Asylgerichtshof nicht in die Begutachtung gegangen?

Im Eilverfahren wurde mit den Stimmen der Vertreter der großen Koalition ein Gesetz durchgepeitscht, obwohl sich Abgeordnete aller Parteien über das Verfahren aufgeregt haben - wie auch die Parlamentspräsidentin und die Justizministerin, die immerhin jener Partei angehören, die den Bundeskanzler stellt. Der verteidigt die Vorgangsweise damit, dass es einen Rückstau an Verfahren gibt. Aber das rechtfertigt nicht die Eile.

Der Eindruck, dass ein bei derartigen Gesetzen übliches Begutachtungsverfahren schlicht vermieden werden sollte, weil die Experten einheitlich dagegen waren, drängt sich auf: Denn wenn die Präsidenten vom Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof, das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR sowie führende Rechtsexperten unisono davor warnen, ein Verfahren derart abzukürzen, weil damit rechtsstaatliche Prinzipien eklatant verletzt werden, sollte das zumindest gehört werden. Das wollte man sich offensichtlich ersparen.

In immerhin 41 Fällen hat der Verwaltungsgerichtshof entgegen vorherigen Instanzen doch Asyl gewährt. Diese Möglichkeit ist nun verwehrt. Dass in Zukunft nur Richter Entscheidungen in Asylverfahren treffen, ist keine Rechtfertigung dafür, dass der Instanzenzug für eine Seite einfach wegfällt.

Das von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer vorgebrachte Argument, die Politiker seien unter Zeitdruck gestanden, sticht auch nicht: Immerhin wurde seit dem Jahr 2006 darüber diskutiert. Auf ein paar Wochen mehr wäre es auch nicht angekommen.

Generell scheinen die Parlamentarier in eine Art Jahresendpanik verfallen zu sein. 61 Gesetze in drei Tagen: Vom Asylgerichtshof über das Verfassungspaket bis zur Neuen Mittelschule und dem Sicherheitspaket. Die Abgeordneten können angesichts der Fülle gar nicht alle Gesetzestexte kennen. Aber beschlossen werden sie.

Zum Unbehagen, dass sich die Koalitionäre schnell einig sein können, obwohl sie sonst mehr durch Streiten auf sich aufmerksam machen, gehört auch, dass der Kammerzwang in den Verfassungsrang gehoben wurde. ÖVP und SPÖ sind sich hier, da es um die Absicherung ihrer Vorfeldorganisationen geht, rasch einig geworden. Das ist fast ein Rückschritt ins Mittelalter, als der Zunftzwang galt. Nur eine künftige Regierung, die wieder über eine Zweidrittelmehrheit verfügt, kann an dieser Zementierung des Kammerstaats etwas ändern. Eine Zweidrittelmehrheit wird aber auf absehbare Zeit weiter nur mit SPÖ und ÖVP möglich sein, auch wenn andere Parteien durch das Vorgehen dieser Koalition Stimmen sammeln dürften.

Es verfestigt sich der Eindruck, SPÖ und ÖVP richten es sich mit ihrer Mehrheit nach Belieben. Es werden ohne Debatten und Expertenanhörung Grundfesten des Rechtsstaates verrückt. Das ist nicht hinzunehmen. (Alexandra Föderl-Schmid/DER STANDARD, Printausgabe, 7.12.2007)