Das Designer Outlet Parndorf - das Gespenst des Dorfes Parndorf, das in den vergangenen fünf Jahren um 20 Prozent gewachsen ist.

Foto: Standard/Robert Newald
Damit sind allerdings auch Kosten verbunden. Und die werden nicht zuletzt von den Gemeinden zwischen den zwei Metropolen getragen.

***

Parndorf - Wien und Bratislava, so hört man es reihum, sind im Begriff, zu einer europäischen Musterregion zusammen zu wachsen. Die rund 60 Kilometer, die zwischen diesen beiden Metropolen liegen, seien ja europaweit die kürzeste Distanz zwischen zwei Hauptstädten, weltweit übertroffen nur von Leopoldville, dem heutigen Kinshasa, und Brazzaville, die bloß vom Fluss Kongo voneinander getrennt sind.

Was freilich gerne übersehen wird, sind eben genau diese 60 Kilometer, über die das Geschwader des Booms drüberzieht wie einst die Kavallerie, deren Aufgabe ja auch die Bewegung war und nicht die Rücksicht aufs Terrain. In den politischen Sonntagsreden scheut man sich auch, die Sprache aufs Terrain zu bringen. Um so was zu hören, muss man schon hineinhorchen in die Ortschaften am Wegrand der ökonomisch boomenden Twin-City-Region. Zum Beispiel nach Parndorf, wo der Mitte Oktober neu gewählte Bürgermeister eine präzise - und viel zu selten gehörte - Frage stellt: "Was ist das: eine reiche Gemeinde?"

Die Ortschaften am Weg von da nach dort haben jeweils ganz spezielle Herausforderungen zu bewältigen. Die östlichen Gemeinden - die niederösterreichischen Orte Wolfsthal und Berg und das burgenländische Kittsee - sind in den Sog der slowakischen Hauptstadt geraten. Beim Neuerwerb von Baugründen stellen die Slowaken schon jetzt die Mehrheit. Darauf müssen die Bürgermeister - dafür sind sie ja da - reagieren. In Wolfsthal zum Beispiel strebte man durch die Erweiterung einer Autobuslinie die Einbindung in den städtischen Verkehr von Bratislava an. Freilich legte sich der Lizenzinhaber, der österreichische Postbus, quer.

Weiter im Westen ist man durch die Ostautobahn und die Intensivierung der Bahnverbindung längst Teil des Wiener Speckgürtels geworden. Neusiedl etwa wächst kontinuierlich aus seiner Rolle, welche die burgenländische Feinsprache als Bezirksvorort charakterisiert, in die einer veritablen Bezirkshauptstadt hinein.

Was das benachbarte Parndorf davon hat, diese Frage hat den herbstlichen Gemeinderatswahlkampf geprägt und den Ex-Kommunisten Wolfgang Kovacs mit seiner Bürgerliste zum Ortschef gemacht. Kovacs, der den Grazer Ernest Kaltenbrunner als sein Vorbild nennt, zog mit dem Wort "Stopp" in die Wahl, wobei er allerdings wohltuend penibel vermied, jeden Anruch von Fremdenfeindlichkeit zu vermeiden.

Es gehe, meint der Bürgermeister, einfach ums Verkraftbare am Wachstum. In den vergangenen fünf Jahren sei Parndorf um 20 Prozent größer geworden. Und alle schon genehmigten Bauprojekte würden das Dorf von jetzt rund 4000 auf knapp 7000 blähen. Das sei schlicht zuviel. Man müsse eine Pause einlegen, um infrastrukturell aber auch integrativ nachzuziehen.

Dazu komme eine explodierende Firmenstruktur auf dem Gelände des landeseigenen Wirtschaftsparks. Das Designer Outlet, das allein am vergangenen Wochenende 30.000 Kunden besucht haben, bringe Arbeitsplätze und Kommunalabgaben, und ja: "Wir sind eine reiche Gemeinde." Aber, wie gesagt: "Was ist eine reiche Gemeinde?" Die Parndorfer - neue wie alte - haben eine ungefähre Vorstellung davon. In der spielt, so der Bürgermeister, "Lebensqualität" eine wesentliche Rolle.

Ein Wort, das allerdings in keiner Kosten-Nutzen-Rechnung auftaucht. (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD - Printausgabe, 7./8./9. Dezember 2007)