Karuan: "Pop Arif" (Sunshine Records/Soulseduction 2007)

Coverfoto: Sunshine Records
Eilig scheint er es nicht zu haben. Fünf Jahre verstrichen bis zur Veröffentlichung von "Pop Arif", dem Nachfolger des viel beachteten Erstlings "Dohuki Ballet". Karuan, in Wien geborener Sohn kurdischer Eltern, hat offenbar eine gewisse orientalische Gelassenheit mit auf den Weg bekommen. Was ihn nicht hinderte, früh anzufangen: Mit sechs Jahren – so will es die Fama - soll er zum ersten mal seinen Gesang auf Kassette aufgenommen haben, inspiriert vom kurdischen Sänger Sivan Pewer.

Im Laufe seiner Entwicklung streifte der Autodidakt einige Indie-Bands, ab 1995 feilte er an seiner Solo-Karriere. 1999 schließlich mündete seine Arbeit mit elektronischer Musik und Gitarre in die Vertragsunterzeichnung beim Wiener Label "Sunshine Records". Nach zwei EPs erschien die erste LP im Jahr 2002.

Reinhören und Entspannen

So relaxed, wie er seine Karriere anzugehen scheint, ist auch das neue Werk. Eröffnet wird das Album gemeinsam mit der aus Baden-Baden stammenden Wahlwienerin und Vocalistin L'Enfant Terrible, die auf "Circles" mit sanfter Stimme ihre Kreise zieht. Schon der erste Track beweist, dass der Musiker sich darauf versteht, verschiedenste Sounds einfließen zu lassen, um diese virtuos zu einem gefälligen Klangteppich zu verweben. Im Gegensatz zum Erstling legt der 31-Jährige, der sich laut Auskunft auf seiner Homepage ganz unbescheiden vom "Composer" zum "wahrhaften Songwriter" entwickelte, viel Wert auf die Vocals. Folglich hält er auch mit der eigenen Stimme nicht hinter dem Berg. Verstärkung für das songlastige Album holt sich der Wiener, der gerne als musikalischer Brückenbauer zwischen Morgen- und Abendland gilt, von Musikern verschiedenster Genres.

Mit "Reflections of a poem", unterstützt vom sanften Rapper Oddateee und L'Enfant Terrible im Refrain, zeigt sich, dass Hip-Hop, Dub und Orient klingen können, als wären sie seit jeher füreinander bestimmt. Dass hier Einflüsse verschiedenster Kulturen aufeinander treffen, bleibt dennoch wohltuend hörbar. Oddateees Spoken Rap trifft die Beats auf den Punkt, Flöten würzen mit einer Brise orientalischer Klänge. Nicht zu überhören, dass Pop Arif eine Hommage an moderne kurdische Musik im Allgemeinen und speziell an Mohamed Arif, einen der ersten populären kurdischen Musiker, im Sinn hat.

Romantik und Melancholie

Romantik und Melancholie erweisen sich – Orient oder Okzident auf oder ab - einmal mehr als tragfähige Grundlage musikalischer Produktion. Dass Pop dabei durchaus eine Rolle spielen kann und trotz der "elektronischen Herkunft" keineswegs negativ konnotiert ist, belegt "Chocolate Distance (Hypnotized)" feat. Metin Ylmaz Kendal. Eingängig, funky - eben poppig arrangiert – macht sich der Song vermutlich auch in der Disco nicht schlecht. Ab "The holy is under the light" überlässt Karuan die Bühne nicht mehr seinen Gästen. Dancefloorfeeling, Gitarrenriffs und ein starker Basslauf sorgen für viel Drive.

Ohne Gastinterpreten kommen auch die folgenden Nummern aus. Bühne frei für Karuans Stimme, akustische Gitarren und fein gedrechselte Arrangements heißt es bei der Ballade "A sweet way out". "Poem of the five finger family" ist ebenso wie "Trainstation Without Fascists" (feat. Metin Yilmaz Kendal) schon auf dem 2006 erschienen Soundtrack zur Arte-Produktion "Exile Family Movie – Einmal Mekka und zurück" des befreundeten Filmemachers Arash erschienen. Richtig groovig wird es bei "Give what you want".

"What you are" (feat. Lai Cheun & Mara Mastelir) ist das Bühnenstück für die klassisch ausgebildete Mara Mastalir. Große Worte und sanfte Töne sprechen von der Liebe in angemessen souliger Manier. Wer von Emotionen wenig hält, der kann sich immer noch von der sanften Melodie tragen lassen. Denn mit himmelhoch Jauchzen und abgrundtief Fallen wird hier nicht gedient.

Auch der Titeltrack "Pop Arif" wird von Mara Mastalir bestritten. Mindestens so ausdrucksvoll wie mit der Stimme wird mit den Instrumenten jongliert. Akzentuierende Akkorde, verspielte Beats, gezupfte Gitarren und dynamische Streicher: Karuans Vergangenheit lässt grüßen. Beinahe übergangslos schließt sich der nächste und letzte Song an. "Trainstations Without Fascists" lebt von schlichtem Schlagzeug und Sprecheinlagen scheinbar aus dem Off. Der "Bahnhof ohne Faschisten" sorgt für den pointierten Abschluss und für surrealistische Bilder im Kopf. (mareb)