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120.000 Besucher verzeichnet das Mittelalterfestival im deutschen Kaltenberg jährlich: Neben Marktständen und musikalischen Performances finden Wettkämpfe statt. Auch im Kleinen treffen sich die Fans der alten Zeiten.

Foto: Getty Images/Johannes Simon
Zahlreiche Vereine, Musikgruppen und Märkte begeben sich auf die Spuren des düsteren Zeitalters.

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Wien - Übergroße Wikingermänner mit Fellwesten und Trinkhörnern und Frauen in Burgfräuleingewandungen - für die "Rattenritterzirkuspunk"-Band Logathore (s. Text unten) haben sich Mittelalterbegeisterte im Gasthaus Vorstadt in Ottakring versammelt.

"Es gibt rund 300 Mittelalter-Feste jährlich in Österreich, wobei 'Mittelalterszene' ein Sammelbegriff für alle historischen Festivals ist", erklärt Florian Machl, der Geschäftsführer des Online-Magazins huscarl, das sich dieser Szene in Österreich widmet. Neben den klassischen Märkten würden auch Veranstaltungen mit Musik aus diesem Zeitraum immer beliebter werden - auch bei den unter 18-Jährigen.

Die passende Bekleidung dazu findet man auf Mittelaltermärkten, etwa beim Adventmarkt vor dem Wiener Heeresgeschichtlichen Museum. Anstatt von Schmuck und Punsch konnte man hier Fuchsfelle, Mittelaltergewandungen und Hornkelche bewundern und erstehen. Ein ganzer Stand war etwa "Gugeln" (mittelalterlichen Kopfbedeckungen), Miedern, gotischen Kleidern und Waffenröcken gewidmet. Weiters konnte aus verschiedenen extravaganten mittelalterlichen Speisen wie gebratenem und geräuchertem Fleisch und selbstgemachtem Brot gewählt werden.

"Wir haben einmal einen Mittelaltermarkt besucht, dann noch einmal und noch einmal", erzählt Monika, wie sie zu einer leidenschaftlichen Besucherin von Mittelalterveranstaltungen geworden ist. Die junge Frau ist gemäß dieser Zeit gekleidet und stellt ihre "mittelalterliche Gewandungen" sogar selbst her.

Mittelalterveranstaltungen gebe es regelmäßig, im Sommer sogar jedes Wochenende.

Gaukelei und Kunst

"Wir kennen so um die fünfzig Vereine in Österreich, die sich mit diesen Dingen beschäftigen", sagt Machl. In Wien etwa Prima Nocte oder Dreinschlag, in Linz beispielsweise Via Nostra. "Im Sinne von Gaukelei und Kunst gibt es sehr junge Leute, die sich dafür begeistern."

Es gebe auch Organisationen, in denen die Struktur der historischen Zeiten beibehalten wird: Knappen, die nach einer gewissen Lernzeit zum Ritter geschlagen werden.

"Ich machte meine erste Erfahrung mit Mittelalterfestivals vor fünf Jahren in Eggenburg", erzählt Helmut, der seither regelmäßiger Besucher solcher Märkte ist. "Dort treten spezielle Händlern auf und Leute, die alte Handwerkskünste wie Korbflechten oder alte Tischlerhandwerkskünste zeigen sowie Schaukämpfer mit Rüstungen und Schwertern", schildert Machl das Markttreiben. Ob sich viele Besucher verkleiden, hänge davon ab, ob eine Ermäßigung oder freier Eintritt damit verbunden sei. Oft genüge es dann, sich "einen Vorhang umzuhängen".

Ein großer Bereich der Märkte liege im Künstlerischen, "wo es etwa die Gaukler, Feuerspucker, Jongleure und die Musiker gibt". Eine solche Band ist Rhiannon, die Musik in "mittelalterlicher Spielmannstradition" macht: "Wir schnappen uns alte Instrumente und versuchen, etwas Eigenes zu kreieren." Auf den ersten Mittelaltermusikfesten dachte er sich: "Das will ich auch. Und es kam der erste Dudelsack ins Haus, und dann ging es dahin."

Nicht nur die Szene wächst stetig, sondern auch die Anzahl der Mittelalterbands. Wobei sich nicht jede so anmutende Band als solche versteht. "In Deutschland gehen Mittelalterbands meist eher in Richtung Metal, weil sie so mehr Geld verdienen", schildert Machl. In Österreich gebe es eine Menge Bands, die sich "um sündteures Geld" mittelalterliche Instrumente kaufen oder bauen lassen und genau recherchieren, welche Texte und Stücke historisch sind.

Ist das Ganze nur eine Flucht aus der Realität? Wenn es nach Florian Machl geht, dann ist das Mittelalter lediglich eine Realität für sich. (Ina Bauer Helene Hovorka/DER STANDARD Printausgabe, 11. Dezember 2007)