Graz - Das Phänomen der steirischen "Kummerln" lässt sich nicht allein mit dem Local Hero Ernest Kaltenegger erklären, der bei der Grazer Wahl 2003 fast 21 Prozent bekam und 2005 als Klub- chef eines vierköpfigen Teams in den Landtag weiterzog. Die steirischen Kommunisten sind, verglichen mit der Bundes-KP, ideologische Hardliner samt klarem Bekenntnis zur Arbeiterklasse. Gleichzeitig erreichen sie mit dem Thema der Wohnversorgung und christlich anmutendem Auftreten seit Jahren auch die wirklich Armen der Stadt, die weder Marx noch Engels gelesen haben. Und auch Grazer Großbürger haben sie 2003 gewählt, sei es aus Unzufriedenheit mit anderen Parteien oder wegen des Gefühls, einer karitativen Organisation etwas zu spenden.

Denn im Eigentum der Stadt Graz sind, nach der KP-Sanierungsoffensive der letzten Jahre, fast keine Substandardwohnungen mehr, und kürzlich wurde auf Vorschlag der KPÖ ein Kautionsfonds im Gemeinderat beschlossen, der Wohnungssuchenden mit kleinem Budget unter die Arme greift. Vom Bund trennt die Steirer, die von der Konkurrenz gerne als "Ombudsmannpartei" verhöhnt werden, nicht nur der Wahlerfolg: Man liebt einander seit Jahren nicht. Beim letzten Bundesparteitag vor einer Woche nahmen die Steirer nicht teil.

Schützenhilfe für Elke Kahr

Im äußeren Erscheinungsbild wirkt die Landes-KP wie eine Mischung aus dem italienischen Landpfarrer Don Camillo und seinem Gegenspieler, dem kommunistischen Bürgermeister Peppone. Auf den Plakaten zum Landtagswahlkampf 2005 wurde Kaltenegger fast wie ein Priester inszeniert: milde lächelnd, dunkel gekleidet und der warm-rote Hintergrund in ein Licht getaucht, das durch ein Kirchenfenster zu fallen schien. Dazu tauchte auf anderen Plakaten, Broschüren und Buttons auch der Spruch: "Fürchtet euch nicht - KPÖ!" auf. Jetzt ist es die freundlich lächelnde Stadträtin Elke Kahr, die als Spitzenkandidatin von bewusst simpel gelayouteten Plakaten lächelt. Der Spruch "Helfen statt reden" ist auch wieder dabei, zudem Bilder von bauchigen, roten Herzen: "Sozialismus zum Kuscheln".

Pressekonferenzen hält die KPÖ in diesem Wahlkampf gerne im Lokal "Don Camillo" - gegenüber vom Beisl Peppone - in der Altstadt ab. Bei dieser Gelegenheit stellte kein anderer als Ernest Kaltenegger ein Unterstützungskomitee für Elke Kahr vor. Kahr selbst war nicht anwesend. Braucht sie die Schützenhilfe des prominenten Vorgängers? Ja, denn nicht nur im Gemeindebau treffe man auf Leute, die vom Wechsel Kalteneggers in den Landtag verunsichert seien, so Elke Kahr zum Standard. "Wo ist er denn? Hilft er überhaupt mit?", sei sie weit mehr als einmal gefragt worden. (Colette M. Schmidt/DER STANDARD, Printausgabe, 15.12.2007)