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Wien - Eines Abends liegt ein Mann bewusstlos mitten auf dem Weg, neben ihm sein Motorrad. Die Frau, die ihre Schafe durch die Steppe nachhause treibt, schafft es irgendwie, den Volltrunkenen auf ihr Kamel zu hieven. Und es wird nicht das erste Mal gewesen sein, dass sie ihren schusseligen Nachbarn rettet.

Männer, das erfährt man hier gleich einmal, machen Arbeit, sie sind oftmals eine Last. Wenn man mit ihnen lebt. Aber auch wenn man nicht mit ihnen leben kann, obwohl man es gern möchte. Tuya (Yu Nan) lebt in der Mongolei.

Sie hat einen Ehemann zu versorgen, der seit einem Arbeitsunfall nicht mehr gehen kann. Der Brunnen, an dem er vor dem Unfall gegraben hat, ist deshalb unvollendet geblieben. Die beiden haben zwei Kinder. Der ältere Sohn geht ihr manchmal zur Hand. Etwa bei der Versorgung jener Schafherde, auf der die Existenz der Nomadenfamilie gründet.

Der Nachbar, in seiner eigenen Ehe auch nicht wirklich glücklich, bietet ihr seine Freundschaft und Hilfe an. Aber es wird für sie zunehmend schwieriger, den Alltag zu bewältigen. Alle - sogar der Betroffene - bedrängen Tuya also, das Vernünftige zu tun: Sie soll sich von ihrem Mann zu trennen und einen heiraten, der ihr und ihrer Familie Entlastung und Absicherung bietet. Aber Tuya sträubt sich dagegen.

Eines Tages fällt sie selbst entkräftet um. Der Arzt im Krankenhaus sagt, dass ihre Gesundheit ernsthaft gefährdet sei, wenn sie weiter so schwer arbeiten würde. Noch vor dem Scheidungsrichter hält Tuya fest, dass es ihre Bedingung sein wird, dass der künftige Gatte sich auch um seinen Vorgänger zu kümmern hat. Kurz darauf treffen die ersten Bewerber ein.

Goldener Bär

Mit Tuyas Hochzeit/Tuya de hun shi, seiner dritten Regiearbeit und auch der dritten Zusammenarbeit mit seiner ausdrucksstarken Hauptdarstellerin, gewann der Chinese Wang Quan'an vergangenen Februar den Goldenen Bären bei den Berliner Filmfestspielen. Sein Film entwirft ein individuelles Dilemma, einen inneren Konflikt.

Der spezifische Lebens- und Arbeitsraum, dessen Schauwerte den Bedürfnissen des (Breitwand-)Kinos bekanntermaßen entgegenkommen, bleibt dabei angemessen im Hintergrund. Nicht ganz so verhält es sich an manchen Stellen mit der Mechanik der Erzählung (und der Montage).

Körperliche Belastung

Zentral bleibt aber trotzdem das Drama, die Unvereinbarkeit von Pragmatismus und Gefühl, vom Diktat der Wirklichkeit und der Unmäßigkeit der Wünsche.

All das wird nicht über sprachliche Äußerungen oder eine psychologische Profilierung der Figuren präsent gehalten, sondern vielmehr über den Eindruck beständiger körperlicher Belastung: So schwer, wie Tuya und ihr Lasttier mehrmals täglich beim Transport des nötigen Wassers zu tragen haben, so schwer ist die Entscheidung, die sie zu fällen hat. Das ändert sich nicht. (Isabella Reicher/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17. 12. 2007)