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Erwärmt sich das Klima wie anno dazumal, dann sind in nördlichen Gegenden Palmen aus Plastik (wie hier im Bild) überflüssig. In der Arktis werden dann nämlich echte Palmen wachsen.

Foto: AP Photo/Nati Harnik

Dinoflagellaten der Art Apectodinium augustum

London - Die Arktis vor rund 55 Millionen Jahren: Am Nordpol ist der Ozean offen. Keine Spur von Eis weit und breit - was bei sommerlichen Wassertemperaturen von bis zu 24 Grad Celsius auch nicht wirklich verwunderlich ist. In den lauen Fluten tummeln sich massenhaft einzellige Dinoflagellaten der subtropischen Gattung Apectodinium. Ab einer bestimmten Tiefe indes ist das Meer praktisch tot.

Das Wasser enthält keinen Sauerstoff mehr. Stattdessen ist es mit Schwefelwasserstoff gesättigt, was gewaltig nach faulen Eiern stinkt. In dieser Brühe können nur spezialisierte Bakterien überleben. Das Meer wurde offensichtlich von einer ökologischen Katastrophe heimgesucht. Ganz ohne Zutun des damals noch fehlenden Menschen.

Wissenschafter bezeichnen das damalige Desaster euphemistisch als Paläozän/Eozän Temperaturmaximum, kurz: PETM. Die extreme Wärmezeit dauerte ungefähr 200.000 Jahre und gilt als mögliches Modell für den gerade begonnenen, wohl menschengemachten Klimawandel.

Rivalisierende Thesen

Doch über die Ursachen dieser Hitzeperiode herrscht alles andere als Klarheit. Einige Fachleute nennen starke Vulkanaktivität und den damit verbundenen CO2-Ausstoß als Auslöser. Andere wiederum gehen von der Freisetzung großer Methan-Mengen aus den Ozeanen aus - was in den vergangenen Jahren als wahrscheinlicher galt. Zu Recht?

Die Methan-Hypothese beruht überwiegend auf einer bemerkenswerten Senkung der Konzentration des Kohlenstoff-Isotops 13C in Sedimentschichten aus der PETM-Zeit. Von Bakterien gebildetes Methan lagerte damals wie heute in große Mengen an Eis gebunden als Methanhydrat an den Kontinentalabhängen. Aber warum kam es frei?

Ein Team aus niederländischen und US-amerikanischen Forschern ist der Sache buchstäblich auf den Grund gegangen. Sie untersuchten Bohrkerne von der Ostküste der USA sowie Tiefenproben aus dem Nordseegebiet und Neuseeland.

Mit ihrem Befund in der neuen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Nature" (Band 450, S. 1218) widerlegen die Experten die Methan-Hypothese zumindest teilweise. Die Analyse der Bohrkerne zeigt nämlich eindeutig: In gemäßigten Breiten hatte die Masseneinwanderung der wärmeliebenden Apectodinium-Einzeller rund 3000 Jahre vor Beginn der Methan-Freisetzung begonnen.

Frühere Erwärmung

Mit anderen Worten: Die Initialzündung des PETM kann nicht vom Methan ausgelöst worden sein. Die Erwärmung begann schon früher.

Das Tiefenwasser der Ozeane brauchte Jahrhunderte, um sich aufzuheizen. "Erst nachdem eine kritische Grenze überschritten war, löste sich Methan vom Meersboden", sagt Jaap Sinninghe Damsté, Geologe am niederländischen Meeresforschungsinstitut im Gespräch mit dem STANDARD. So wurde die Erhitzung der Erde weiter gefördert, aber ihre eigentliche Ursache ist weiterhin unklar. Was für die Klimaerwärmung im 21. Jahrhundert und mögliche Rückkoppelungs- und Verstärkungseffekte natürlich umso mehr offene Fragen bedeutet.

Immerhin: Eine baldige massenhafte Freisetzung von Methan als Folge des heutigen Klimawandels hält Sinninghe Damsté für unwahrscheinlich. Schließlich hat sich die Wärmeaufnahme-Kapazität der Tiefsee seit dem PETM nicht verändert. (Kurt de Swaaf/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20. 12. 2007)