Das Programm "Sparkling Science" will in den nächsten zehn Jahren 100.000 Schüler in echte Forschungsprojekte einbeziehen - und damit dem drohenden Akademikermangel entgegenwirken.

"Wir haben ja kaum Kontakt zu Kindern. Deswegen war es sehr interessant, die Sichtweise von Volksschülern kennenzulernen", beschreibt Tanja Tötzer, Regionalforscherin bei den Austrian Research Studios, ihre Erfahrungen bei der Zusammenarbeit mit neunjährigen Kindern einer Volksschule in Steyr.

Im Rahmen des Forschungsprojektes "future.scapes" haben Schülerinnen und Schüler dreier Volksschulen die Auswirkungen von Klimawandel und Globalisierung auf drei unterschiedliche Regionen unter die Lupe genommen: Mit Kameras hielten sie zunächst die gegenwärtige Situation in der landschaftlich geprägten Region Gars am Kamp, im Industriestandort Steyr und im alpinen Montafon fest, um die Bilder dann mit alten Fotografien, die aus dem Familienalbum oder dem Bezirksmuseum stammten, zu vergleichen.

Danach entwarfen sie Szenarien, wie ihre Motive, etwa eine Skipiste oder eine Schlosserei, in der Zukunft aussehen würden, und zwar im besten und im schlechtesten Fall. Das Ergebnis war ein "Zukunftsquartett"-Spiel. "Teilweise waren die Vorstellung sehr technisch und von Robotern geprägt, welche die ganze Arbeit übernehmen, während die Menschen Urlaub machen. In den Bildern von Kindern mit Migrationshintergrund hingegen war deutlich, dass viel Arbeit für die Menschen als gut angesehen wird", erklärt Tötzer, wie die Kinder den Wissenschaftern wichtige Anregungen für die Entwicklung von Strategien zur Bewältigung von negativen Folgen des globalen Wandels geben konnten, die keine Computersimulation oder statistische Auswertung bieten kann.

Dieses und andere Vorläuferprojekte zum Thema Klimaforschung zeigen, worum es dem Forschungsprogramm "Sparkling Science" geht: Die aktive Einbindung von Schülern jeden Alters in aktuelle Forschungsprojekte, um die Funken zwischen Bildung und Wissenschaft sprühen zu lassen. Dieser Tage hat die Ausschreibung des Wissenschaftsministerium begonnen, bei der sich Wissenschafter, Schulen, Museen und Pädagogische Hochschulen bewerben können.

Insgesamt 30 Millionen Euro stehen für das Programm, das bis 2017 angesetzt ist, zur Verfügung. "Es werden nur Projekte finanziert, bei denen die Fragestellung so geartet ist, dass die Mitarbeit der Kinder und Jugendlichen wirklich einen Mehrwert bringt", erläutert Programmleiterin Marie Céline Loibl. In Form von fächerübergreifenden Schulprojekten und gemeinsam konzipierten Fachbereichs- und Maturaarbeiten sollen Schüler nicht nur Einblick in Forschungsprozesse bekommen - sondern letztlich der Weg für einen wissenschaftlichen Nachwuchs geebnet werden.

"Alpen-Düsentrieb"

Ob "Jugend Innovativ", "Wahlfach Wissenschaft" oder die Kinderunis - Projekte und Initiativen, bei denen Schüler mehr Interesse für Naturwissenschaften und Technik entwickeln sollen, boomen seit einigen Jahren auch in Österreich. Während etwa in Israel die praxisnahe Förderung von jugendlichen Forschern bis in die 1960er-Jahre zurückgeht, waren es hierzulande zuletzt Vergleichsstudien wie Pisa und Untersuchungen, die einen Akademikermangel von jährlich 1000 Personen in den 15 von Unternehmen am meist gesuchten Studienrichtungen ab dem Jahr 2010 voraussagen, die für einen Aufschrei unter Wissenschaftern, Bildungspolitikern und in der Wirtschaft sorgten.

Mehr "Sexappeal" für Chemie, Physik und Mathematik wünscht sich die Industriellenvereinigung und hat unter dem Titel "Alpen-Düsentrieb" vor wenigen Tagen ein Maßnahmenpaket vorgestellt. Bereits im Kindergarten setzt die vom Infrastrukturministerium gestartete Initiative "Forschung macht Schule" an, die ab Anfang 2008 für Forschung und Entwicklung "bereits in den Köpfen der Kleinsten" positiv verankern will. 5,4 Millionen Euro stehen für noch relativ vage gehaltene Maßnahmen wie Ferialpraktika in Unternehmen und Laborbesuche bereit.

Auch die Museen setzen mit interaktiven Angeboten auf den jugendlichen Forscherdrang, wie etwa "Abenteuer Forschung" im Technischen Museum Wien oder die Ausstellung "Erlebnisnetzwerke" des Science Center, die sich ab 25. Jänner 2008 vorrangig an junge Menschen richtet. Daneben spornen unzählige Wettbewerbe und spezielle Mädchenförderungsprogramme die Jugend zum Experimentieren an. Initiativen-Wirrwarr

"Das Wirrwarr von unkoordinierten Initiativen ist der Idee abträglich", klagt Loibl. Dennoch käme es zu keinen Überschneidungen mit "Sparkling Science", da dieses Programm über herkömmliche "Public Understanding"-Projekte hinausgehe und Wissenschaftler, Lehrer und Schüler als gleichberechtigte Partner ansehe. Tatsächlich sind die Ziele hoch gesteckt: Nach einer ersten Phase, in der möglichst viele Projekte auf ihre Effizienz getestet werden sollen, wird eine nachhaltige Veränderung des Bildungssystems und die Implementierung langfristiger Kooperationsvereinbarungen angestrebt. Insgesamt sollen sich in zehn Jahren rund 100.000 Schüler an "Sparkling Science" beteiligen.

Als größte Barrieren zwischen Schule und Wissenschaft nennt Programmleiterin Loibl die "milieuspezifische Bevorzugung Jugendlicher mit akademischer Herkunft" und die Starrheit des Bildungssystems, das nicht ausreichend auf forschungsbasiertes Lernen und selbstständiges Arbeiten eingestellt sei. "Selber zu sondieren, was man lernen will und wo man das Wissen herholt, ist eine Basiskompetenz an der Universität", meint Loibl. "Für die meisten Schüler ist das ein Sprung ins kalte Wasser, der zu viele Studienabbrecher produziert."

Schon vor dem Start von "Sparkling Science", dessen Konzept von der Universität Kiel und einem international besetzten wissenschaftlichen Beirat evaluiert wurde, gebe es Resonanz aus den verschiedensten Bereichen, von der Verhaltensforschung über Migrations- bis zur Polarforschung. "Die Kooperationen müssen einen beiderseitigen Nutzen haben", stellt Loibl klar. "Wir werden weder Wissenschafter als Begleitlehrer noch Schüler als Erhebungsknechte akzeptieren." (Karin Krichmayr/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24. - 26. 12. 2007)