Weihnachten, sagt Barbara Michalek, "ist ein ganz normaler Tag". Jedenfalls sage das die Statistik. Und die Professionalität: Wenn man Weihnachten als temporär genau definiertes Ereignis - also den Nachmittag des 24. 12. und die beiden darauf folgenden Feiertage - definiert, erklärt die Leiterin des 24-Stunden-Frauennotrufes der Stadt Wien, dann "ist da kein Unterschied zu anderen Tagen zu erkennen: Die Anzahl der Anrufe liegt im statistischen Mittel, in den Gesprächen geht es um dieselben Probleme wie den Rest des Jahres über."

Ein Tag wie jeder Und dass Michalek da familiäre Katastrophen - also physische, psychische Gewalt und sexuelle Übergriffe - mit dem einfachen Wort "Probleme" umreißt, sei keinesfalls als Geringschätzung des individuellen Leids zu verstehen -, sondern eben auch Teil des professionellen Umgangs mit der Thematik: Bevor Michalek Leiterin des Notrufes wurde, war sie acht Jahre lang Beraterin. Und "der 24. Dezember war für mich ein Tag wie der 30. Mai. Oder wie mein Geburtstag. Ich habe mir bis jetzt noch nie Gedanken darüber gemacht, ob solche Tage anders sind, weil das für die, die anrufen, keine Rolle spielt."

Heikle Zeit

Trotzdem sei Weihnachten eine besonders heikle Zeit. Doch "gerade weil da alle beisammen sind, greifen viele Frauen just zu den Weihnachtsfeiertagen nicht zum Telefon. Schon während des Jahres haben viele Frauen Schuldgefühle, mit Familienproblemen nach außen zu gehen. Michaleks Botschaft lautet dennoch, Hilfe immer sofort dann zu suchen, wenn es nötig ist: "Den Frieden stört immer nur der aggressive Part, nie der, der um Hilfe ruft."

Doch auch wenn unmittelbar zu Weihnachten keine Abweichung von der Statistik dokumentiert ist, wissen alle Beratungs- und Notrufstellen, dass diese Feiertage extrem heikel sind: "Der Ansturm der Anrufe kommt immer im Jänner. Der liegt jedes Jahr signifikant über dem Durchschnitt", sagt Michalek. "Jeder Fall ist ein Einzelfall. Aber viele Frauen haben in den stilleren Phasen der Feiertage erstmals Zeit, über ihre Situation in Ruhe nachzudenken." (Thomas Rottenberg/DER STANDARD-Printausgabe, 24./25./26.12.2007)