Paris - Zwei ehrenwerte Herren erschüttern derzeit den Kunsthandel durch Veröffentlichung von gegenseitigen Anschuldigungen: Der Galerist Enrico Navarra (Paris/New York) meint, dass sein zeitweiliger Partner Pierre Huber, Genfer Kunsthändler und Mitbegründer der ShContemporary, ebendiese als persönliches Forum nütze.

Navarra empfindet die anlässlich der Pressekonferenz im Rahmen der Shanghaier Messe angekündigten Annex-Tätigkeiten Hubers als "Interessenkonflikt". Konkret geht es um dessen Stipendium für eine chinesische Kunstakademie ("Preis Pierre Huber") und das "Seidenstrasse" benannte Wanderausstellungsprojekt, das angeblich mit 20 Millionen Dollar (plus Honorare) von einem Sammler finanziert werde. Bei den von Huber im Umfeld der ShContemporary konzipierten Kunstpräsentationen ("Best of Artists", "Best of Discovery") sieht Navarra Überschneidungen mit den in der Genfer Galerie ausgestellten chinesischen und indischen Künstlern.

Huber habe weiters die von seiner Galerie Art & Public deponierte Internetadresse "shanghaicontemporary.com" irreführend benützt. Navarra verweist zusätzlich auf drei TV-Sendungen, in denen Pierre Huber bei Atelierbesuchen gefilmt wurde. Huber behandle die Künstler nicht immer ganz respektierlich, argumentiert Navarra. Das TV-Team des "France 3"-Programms Strip Tease begleitete Huber vor, während und nach der von Händlern und Künstlern nicht ganz unumstrittenen New Yorker Auktion bei Christie's. Am 26. Februar ließ der Händler 74 Werke aus seiner Sammlung für 16,8 Millionen Dollar versteigern. Die Medien monierten, dass Huber mit dem Argument, ein Museum für Gegenwartskunst zu gründen, Werke zum Selbstkostenpreis erworben habe und Künstler wie On Kawara verärgert seien. Weil die Städte Lausanne und Genf Hubers Museumsinitiative ablehnten, verkaufte er einen Teil seiner Sammlung en bloc.

Wie Huber dem Standard telefonisch versichert, sei er 66, habe keine Kinder und verkaufe, wann er möchte. "Die Hochnäsigkeit und unglaubliche Hypokrisie einiger Galeristen muss endlich aufhören! François Pinault kann kaufen und verkaufen, wann er will, aber die anderen Käufer nicht? Der Markt ist völlig künstlich, denn die Werke haben oft gar keinen Marktwert, sie sind reine Spekulationsobjekte! Meine New Yorker Auktion war ein ,Projekt', wie eine Performance, um meine Freiheit dem Kunstmarkt gegenüber zu zeigen."

Navarra gegenüber kontert Huber, dass der Vorwurf des Interessenkonfliktes nur ein Vorwand sei. Denn Huber kaufte in China für sich und Navarra gemeinsam Gemälde in Ateliers, die nach Genf in die zollfreie Zone transportiert und dort zwei, drei Jahre gelagert werden sollten. Eine rein spekulative Taktik. Navarra hat - laut Huber - im Juni d. J. einen Teilbetrag nicht bezahlt, worauf - laut Navarra, der angibt, 1,5 Millionen Dollar investiert zu haben - die Werke in der Schweiz vom Gericht beschlagnahmt wurden. Seither laufen mehrere Prozesse in Paris und in der Schweiz.

Gerechtigkeitshalber muss man einwenden, dass die meisten Messen von Kunsthändlern gegründet und betrieben wurden und werden. Lorenzo Rudolf, mit Huber Mitbegründer der Shanghaier Kunstmesse, weist dem Standard gegenüber darauf hin, dass es heute kaum noch eine Messe gäbe, bei der es keine Interessenkonflikte von Händlern gibt, die im Auswahlgremium sitzen und ausstellen. "Wenn es jedoch eine massive Ausnutzung einer Messe gibt, dann muss ich einschreiten. Dazu habe ich die Verpflichtung, aus Eigenschutz der Messe und gegenüber dem Markt. Aber nicht nur wegen Gerüchten und nicht unter Druck." (Olga Grimm-Weissert / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.12.2007)