"Ich bin von Sternzeichen Löwe, liege im Schatten und schaue zu, was passiert. Wenn's mir nicht passt, wird irgendwann gebrüllt."

Foto: STANDARD/Regine Hendrich
Als Ex-Chefredakteur Daniel Käfer sucht Peter Simonischek in der neuen Alfred Komarek-Verfilmung "Die Schattenuhr" in Hallstatt nach einer vorzeitlichen Salzleiche. Mit dem STANDARD sprach er über Tourismuswerbung, den ORF, gute und schlechte Hollywood-Filme und Hannes Androschs Beinkleid.

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STANDARD: Beim Ansehen der "Schattenuhr" beschleicht einen das Gefühl, dass die Landschaft mehr als nur Kulisse ist. Wird die Handlung nicht von soviel pittoresker Seenlandschaft erdrückt?

Simonischek: Die Handlung ist nicht besonders dramatisch, eher harmlos, humorvoll. Die Filme von Regisseur Julian Pölsler setzen nicht auf spektakuläre Ereignisse, sondern auf eine gewisse Epik. An Daniel Käfer interessiert mich, dass er eine Art journalistische Neugier hat und jederzeit bereit ist, seine Pläne zu ändern. Ein angenehm unzeitgemäßer Typ.

STANDARD: Ist es ein Stimmungsfilm?

Simonischek: Eher. In den "Polt"-Filmen hat Pölsler das Weinviertel sehr schön eingefangen. Im Salzkammergut ist die Landschaft wesentlich spektakulärer und die Handlung ist ähnlich unspektakulär wie im "Polt". Dadurch kann schon der Eindruck entstehen, dass die Landschaft dramatischer ist als die Handlung.

STANDARD: Glauben Sie an eine tourismusfördernde Kraft von Spielfilmen?

Simonischek: Ich schätze, dass es so etwas gibt. Offensichtlich gibt es die Hoffnung, weil die Fremdenverkehrsverantwortlichen - sagen wir so - sehr freundlich zu uns sind.

STANDARD: Satirische Elemente bezüglich regionalem Tourismusmarketing werden im Film ausgebadet und sorgen für Humor. Sieht man den Film als Marketing für das Salzkammergut, ironisiert er sich damit in gewisser Weise selbst. Was sagen Sie zu der These?

Simonischek: (lacht) Das kann man so sehen. Natürlich. Allerdings muss man auch sagen: Was man sieht, ist nicht getürkt. Die Landschaft im Ausseer Land, die ist echt. Der Tote im Berg war nicht echt. Das war nur ein Reh.

STANDARD: Wo waren Sie zuletzt auf Urlaub?

Simonischek: Ich fahr immer auf die Teichalm in der Oststeiermark und im Sommer nach Griechenland.

STANDARD: Die Vermischung von Einheimischen und "Zuagroasten", Leute, die sich gern ländlich geben, findet gerade im Ausseerland besonders statt. Was sagen Sie zu den Städtern im Steireranzug?

Simonischek: Offensichtlich ein Archetypus der Gegend. Der Lederhosen tragende Philosoph, Musiker, Großstädter - unglaublich. Ist mir ein Rätsel. Die Figur des Eustach Schiller im Film ist so ein "Zuagroaster", der einem wirklich an jeder Ecke begegnet. Wenn Sie den Hannes Androsch in Wien sehen und dann dort in der Gegend, das ist ein Schrei. Der hat dort kurze Lederhosen an über spitzen Knien. Schaut lustig aus.

STANDARD: Haben Sie auch einen Steireranzug?

Simonischek: Ich würde im Alltag keinen tragen. Nur wenn ich auf einen Steirer- oder Jägerball gehe, dann ziehe ich schon einen an. Da würde ich nicht im Smoking hingehen.

STANDARD: Die Einheimischen werden im Film als liebenswerte Eigenbrödler inszeniert. Haben Sie die Menschen dort auch so wahrgenommen?

Simonischek: Sie sind uns gegenüber freundlich und herzlich gewesen, obwohl sie nach dem ersten Käfer-Film auch beleidigt sein könnten, weil sie sehr schrullig dargestellt wurden. So weit ich das beobachtet habe, sind sie sehr eigenständige Menschen, zu denen man schnell einen oberflächlichen Kontakt findet, dann ist aber Schluss. Sie machen einen deutlichen Unterschied zwischen Einheimischen und Nichteinheimischen. Was ich wirklich ausnehmend gern mag, ist ihre Musik.

STANDARD: Die Filmmusik ist von Hubert von Goisern ...

Simonischek: Die Musik im Film ist mir als etwas Eigenständiges aufgefallen. Wobei man nicht weiß, ob das gut oder schlecht ist. Ich liebe es aber, dass, wenn dort vier Leute zusammenkommen, sie sofort vierstimmig singen können. Und dieses Paschen und diese melodiöse Aggressivität, die in den Songs liegt.

STANDARD: Daniel Käfer ist auch ein Zaudernder, der sich treiben lässt. Findet sich darin etwas von Peter Simonischek wieder?

Simonischek: Durchaus. Ich bin kein fixer Macher. Ich bin von Sternzeichen Löwe, liege im Schatten und schaue zu, was passiert. Wenn's mir nicht passt, wird irgendwann gebrüllt. Aber ich bin von meinem Naturell her kein Jäger und Sammler, sondern eher ein Fallensteller. (lacht)

STANDARD: Würde die Ente (Citroën 2CV), die Daniel Käfer fährt, auch zu Peter Simonischek passen?

Simonischek: Das war auch mein erstes Auto, nur in gelb. Da stand mit grünen Lettern "Phönix" an der Tür, weil das Auto damals schon so alt war. Ein Wunder, dass er noch gefahren ist.

STANDARD: Sie würden auch jetzt noch damit herumfahren?

Simonischek: Ich finde das Auto extrem sympathisch. Aber bei einem 60-Jährigen, der in so einem Auto sitzt, stimmt etwas nicht. Wenn man da noch mit einer Ente fährt, ist das Ausdruck einer infantilen Verweigerung. Bei Daniel Käfer funktioniert's. Der bringt's ja auch zu nichts. Das ist das Symphatische an ihm. Ich spiele so etwas aber lieber im Fernsehen, als es zu leben.

STANDARD: Wird es weitere Teile geben? Stehen Sie dafür bereit?

Simonischek: Es war vereinbart, vier Teile zu drehen. Für jede Jahreszeit eine. Es hängt leider immer mehr und deutlicher von der Quote ab. Wenn ich was anfange, will ich es zu Ende bringen. Der dritte Teil, "Narrenwinter", ist schon als Drehbuch fertig.

STANDARD: Filmemacher kritisieren Österreichs lahme Filmpolitik. Wie stehen Sie dazu?

Simonischek: Ich höre, dass die Mittel so drastisch gekürzt wurden, dass alle Filmemacher klagen. Der ORF ist offensichtlich kein Partner mehr für die Leute, die ihre Produktionsfirmen im Vertrauen auf ORF-Aufträge gegründet haben. Es gibt einige Produzenten, die das Handtuch werfen.

STANDARD: Sind Sie für oder gegen die ORF-Gebührenerhöhung im kommenden Jahr?

Simonischek: Ich will mich dazu nicht äußern, weil mir die Für und Wider nicht vertraut sind. Ich habe seit Wochen keine Zeitung mehr gelesen.

STANDARD: Es wurde eine Zweckbindung eines Teils der Gebühren für die Filmwirtschaft gefordert.

Simonischek: Das wusste ich gar nicht. Die Crux ist auf jeden Fall, dass sich mit Film und Kino kein Geld verdienen lässt. Deshalb wird diese Wirtschaft nie wirklich florieren. Es wird im besten Fall gute Leute geben, die arbeiten dürfen.

STANDARD: Hollywood verdient aber viel Geld mit Filmen.

Simonischek: Die handeln mit ganz anderes Dimensionen und Möglichkeiten, schon was die Internationalität der englischen Sprache betrifft. Das ist bei uns ausgeschlossen. In dem Moment, wo die erste Klappe fällt, weiß bei uns schon jeder, was er verdienen wird. Außer der Produzent. Der kann, indem er ein billiges Catering macht, die Leute ausquetschen und seine Marge ein bisschen verbessern.

STANDARD: Hollywood-Filme sind bei uns beliebter als österreichische Filme.

Simonischek: Weil das ein ganz ein anderer Werbeetat ist und weil die auch gute Filme machen können. Es gibt aber nur fünf, sechs Hollywood-Filme pro Jahr, die wirklich toll sind. Vor einem Film wie "Babel" ziehe ich den Hut. Was zu uns nach Europa kommt, ist aber nur das Sahnehäubchen eines riesigen Marktes.

STANDARD: Fehlt den Filmkonsumenten in Österreich ein gewisses Regionalbewusstsein?

Simonischek: Ich glaube. Das ist auch eine Hypothek aus dem Dritten Reich, dass das Regional- und Nationalbewusstsein aus gutem Grund - oder aus schlechtem Grund -gebrochen ist. Das ist auch durchaus verständlich. Wenn eine Filmindustrie nicht aus Eigenem schöpfen kann, dann ist sie an der Wurzel gekappt.

STANDARD: Wird das besser? Es kommt ja auch die Mundart in Film und Werbung wieder zurück.

Simonischek: Das könnte man als Zeichen werten. Worauf es aber ankommt, sind regionale Geschichten. Die größten Erfolge waren kleine Geschichten aus ganz spezifischen Gegenden, die so genau erzählt wurden, dass sie stellvertretend für etwas allgemein und weltweit Gültiges sein können. Es gibt Filme, die schaut man sich in einer fremden Sprache an, und man merkt gar nicht, dass man die Sprache nicht versteht, weil man den Film versteht. Weil es so etwas wie eine emotionale Universalsprache gibt.

STANDARD: Die Hollywood-Filme arbeiten mit den immergleichen Moral- und Patriotismus-Abstrakt.

Simonischek: Das ist auch die Legitimation von Hollywood, dass die Handlungen aus lange erprobten, immergleichen emotionalen Versatzstücken zusammengesetzt werden, also auch nach wie vor verfängt. Ich sehe das an meinen Kindern. Da hilft alles nichts: RTL II. Wenn etwas durch die Luft fliegt, Batman und solches Zeug, das finden sie affentittengeil. Aber das Angebot ist ja auch wirklich erschreckend. Zwischen 19 und 24 Uhr braucht man es gar nicht zu probieren, sich vor die Glotze zu setzen. Interessant wird es nach Mitternacht.

STANDARD: Hin und wieder ist es angenehm, sich auch von seichten Serien einlullen zu lassen.

Simonischek: Es gibt super Serien. Ich kaufe mir die jetzt immer auf DVD. "Six feet under" hat mir das Christkind gebracht. Die Serie soll sehr gut sein. (Alois Pumhösel/DER STANDARD, Printausgabe, 2.1.2008)