Ein paar Differenzen: Gabrielle (Ludivine Sagnier) und Paul (Benoît Magimel) in "Die zweigeteilte Frau".

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Wien – Die Nummer mit der Säge gehört zum Standardrepertoire des Illusionisten. Zum größeren Schauder wird eine Assistentin unter dem Sägeblatt justiert. Dass sie die Prozedur unbeschadet überlebt, ist die Bedingung des Acts und zugleich der Unsicherheitsfaktor, nach dem sich dessen Attraktivität bemisst. Die zersägte Jungfrau bleibt Teil eines Rätsels. Und vielleicht hat der Regisseur sie deshalb, lachend, ganz ans Ende seines Films gestellt.

Die zweigeteilte Frau/La fille coupée en deux heißt Claude Chabrols jüngster Kinospielfilm. Seit er 1958 seinen ersten, Le beau Serge, vorstellte, hat der Franzose im Schnitt jedes Jahr mindestens einen weiteren hinzugefügt. Und bereits seit geraumer Zeit gewinnt dabei oft die merkliche Lust am Detail und an der einzelnen Szene die Oberhand gegenüber dem Gesamtzusammenhang und dem Gewicht der Erzählung.

Schräges Dreiecksdrama

Auch im Fall von Die zweigeteilte Frau wirkt die Handlung ein wenig verdreht, die großen Gefühle, die das zentrale Dreiecksdrama stiften, herbeigeschrieben wie manch anderes Versatzstück. Den Anstoß für das Drehbuch lieferten laut Chabrol Liebesleben und Ermordung des New Yorker Architekten Stanford White anno 1906 – aber so lose wie sich dieser Bezug zum fertigen Film verhält, könnte der Regisseur und Autor ihn auch einfach frei erfunden haben. Dafür erlaubt sich Chabrol, etwa wenn er seine Protagonisten im großbürgerlichen Salon einer Industriellenfamilie versammelt, einem Ritual Genüge tun und in gestelzten Floskeln über Kunst und Kultur parlieren lässt, geradezu parodistische Inszenierungen seines Lieblingsmilieus. Die Frau des Hauses ist eine bleich geschminkte "Nervöse", die sich ihre böse Seite formvollendet leisten kann. Den Sprössling übertreibt Benoît Magimel dagegen gekonnt in Richtung sinistres Muttersöhnchen.

Die zersägte Jungfrau ist im Ränkespiel, das der Film entfaltet, halb Akteurin und halb Objekt der Begierden und Schachzüge anderer: Gabrielle Deneige (Ludivine Sagnier) betritt die Szene als blondes Wetterfräulein eines Lokalsenders in Lyon. Sie macht backstage die Bekanntschaft eines gefeierten Schriftstellers und Lebemanns. Und fast zur selben Zeit begegnet sie einem jungen Müßiggänger, der vom Vermögen seiner Eltern lebt.

Vom älteren Charles Saint-Denis (Francois Berléand) fühlt Gabrielle sich magisch angezogen, während Paul Gaudens (Benoît Magimel) seinerseits ebenso plötzlich und heftig und leidenschaftlich um ihre Liebe wirbt. Von Charles lässt sie sich sexuell unterweisen. Paul wird ihn später dafür als "das Tier, das meine Frau verdorben hat", bezeichnen. Als der verheiratete Charles die junge Frau, seinen "Engel", aus dem "Paradies" – so der Name am Türschild seiner Zweitwohnung – buchstäblich aussperrt, wird sie krank vor Kummer, und das ist nicht die letzte Wendung in dieser wendigen Geschichte.

Attraktion, Witz und Finesse liegen hier, wie gesagt, in den kleinen Dingen:den Spielereien mit Namen und Bonmots, Gesten und Kostümen;Themen wie der Gier und der Doppelmoral der (Provinz-)Bourgeoisie oder dem Älterwerden haben der Film und sein Regisseur nichts grundsätzlich Neues hinzuzufügen. Aber wenn es den Anwalt Pauls nach einem Termin mit dessen Mutter beutelt, dann kann man sicher sein: Lässiger bringt man einen Konflikt nicht auf den Punkt. (Isabella Reicher, DER STANDARD/Printausgabe, 09.01.2008)