Foto: Vinther et al.

London - Mit Fossilfunden aus Marokko ist es so eine Sache. Es kam nicht nur einmal vor, dass sich Forscher von künstlich hergestellten Fossilien und relativ plumpen Fälschungen aus diesem Land haben täuschen lassen. Der große verstorbene US-Paläontologe Stephen Jay Gould hat ihnen sogar einen seiner brillanten Essays gewidmet, der auch titelgebend für eines seiner Bücher wurde: Die Lügensteine von Marrakesch.

Nun allerdings scheint ein neuer Fund aus Marokko ein fast 150 Jahre altes paläontologisches Rätsel zu lösen. Forscher entdeckten im Südosten des nordwestafrikanischen Landes die Überreste eines sogenannten Machaerids, von dem bereits vor fast 150 Jahren verstreute Überreste in Form von Panzerplättchen gefunden und beschrieben wurden.

Der Wissenschaft war aufgrund der Fundorte dieser Fossilien klar, dass dieses Weichtier ein wichtiger Teil der urzeitlichen Fauna am Meeresboden gewesen sein muss. Aber wie das Tier, das vor rund 300 Millionen Jahren ausstarb, genau aussah und zu welcher Gruppe es gehörte, war bis vor kurzem aus leicht erklärlichen Gründen eine offene Frage: "Diese Tiere zersetzten sich nach ihrem Tod nämlich rasch, weshalb ein komplettes Fossil ihres weichen Rückenpanzers sehr selten ist", sagt Jakob Vinther vom Department für Geologie und Geophysik der US-amerikanischen Yale-Universität.

Vinther hat gemeinsam mit seinem Yale-Kollegen Derek Briggs und dem belgischen Forscher Peter van Roy in der britischen Wissenschaftszeitschrift "Nature" (Bd. 451, S. 185) aufgrund des neuen Funds nun erstmals eine genauere Zuordnung der Machaeriden vornehmen können.

Umstrittene Zuordnung

Schwankten die Forscher bisher, ob sie die Tiere, die vor 485 bis 305 Millionen Jahren durchgehend existierten, den Mollusken, den Krebstieren, den Stachelhäutern (wie den Seesternen) oder den Ringelwürmern (zu denen heute der Regenwurm oder der Egel gehört) zuzurechnen sind, so ist nun die Entscheidung zugunsten der Ringelwürmer gefallen.

Das knapp drei Zentimeter lange Fundstück zeigt, dass das Machaerids unter dem Rückenpanzer einen verlängerten Körper mit gliederartigen Erweiterungen an jedem Segment hatte sowie zwei Bündel langer Borsten an diesen Erweiterungen. Und genau diese Kennzeichen definieren das Machaerid unzweifelhaft als Ringelwurm, sagen die Forscher.

Was diese Erkenntnis und generell: die minutiöse paläobiologische Forschung bringen? Ganz einfach: "Sie helfen, die Evolution unserer Biosphäre besser zu verstehen", sagt Co-Autor und Yale-Professor Derek Briggs. Links der Fossilfund und rechts die grafische Darstellung des Machaerids, einer längst ausgestorbenen Gattung der Ringelwürmer. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10. 1. 2008)