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Koala-Spotting auf Kangaroo Island.

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Im Süden der Insel ist dann endlich Känguru-Premiere.

Grafik: DER STANDARD

Kurz vor Adelaide kommt es zu einem Stau: Ein Koalabär will die Straße überqueren - und schläft dabei ein. Koalas, als australisches Wahrzeichen längst den Kängurus ebenbürtig, sind seltsame Wesen: Sie essen schwerverdauliche Eukalyptusblätter, trinken kaum (daher ihr Name, der in der Sprache der Aborigines so viel wie "kein Wasser" bedeutet) und schlafen an die zwanzig Stunden, um das ungenießbare Zeugs zu verdauen. Faultiere bringen es im Vergleich nur auf schlappe achtzehn Stunden.

Man sieht Koalas überall, wo Eukalyptus wächst, träge hängen sie auf den Bäumen, mitunter fallen sie auch herunter. In Australien, wo die Natur direkt vor der Haustür liegt, ist Koala-Spotting einfach: Man blickt in die grelle Sonne, sieht zuerst gar nichts, dann ein unidentifizierbares Knäuel, das kurz verwirrt die Augen öffnet, aber schnell wieder weiterschläft.

Von Adelaide, einer gemütlichen 1,1-Millionen-Einwohner-Stadt, die viel kleiner wirkt und mit ihren niedrigen Häuschen wie ein Westerndorf aussieht, fliegt man knapp dreißig Minuten zum eigentlichen Naturparadies im Süden Australiens. Kangaroo Island ist gerade einmal 155 Kilometer lang und 55 Kilometer breit, aber es ist so etwas wie Australien im Kleinen - und der beste Ort, Tiere hautnah zu erleben. Dreißig Prozent der Insel wurden zu Naturparks erklärt.

Nikki, unser Guide, holt uns am kleinen Flughafen von Kingscote ab und sagt: "Ich hoffe, ihr seid nicht wegen unseres Nachtlebens gekommen - das gibt es nämlich nicht." Zur Erfrischung gibt es Wasser: Regenwasser, das - so sauber ist es hier - einfach in Flaschen abgefüllt und verkauft wird. Nikki erklärt, in Adelaide zu wohnen wäre ihr viel zu stressig, die Luft sei dort nicht sonderlich sauber. Da staunt man als Europäer am besten still und schaltet, so gut es geht, um: auf gemächliches Koala-Tempo.

Die Hitze hier ist trocken und angenehm, abends und vor allem an der Küste kann es aber auch ordentlich abkühlen. Ein englischer Seefahrer, Matthew Flinders, gab der Insel ihren Namen - völlig ausgehungert landeten seine Schiffe 1802 an den Küsten und fanden springende Tiere, deren Fleisch ausgezeichnete Nahrung abgab (das hat sich bis heute nicht geändert: Känguru-Steak schmeckt herrlich zart und fettfrei).

Flinders soll sogar einige der Tiere an Bord genommen haben, teils als Nahrung, teils als Geschenk für die englische Königin, in deren Park dann Kängurus hüpften. Natürlich lassen die Kängurus - 20.000 bis 30.000 soll es hier geben - vorerst auf sich warten. Man sieht im Süden in der Bucht Seal Bay Seelöwen, die faul am Strand liegen und sich in der Sonne wälzen. Nur die jungen Männchen sind auf Streit aus. Mit einem Ranger als Begleiter nähert man sich bis auf eine Distanz von zehn Metern.

Ein Stück weiter, an der Küste des Flinders Chase Nationalparks, weht der Wind kalt, die Vegetation ist bonsaiartig kleinwüchsig und Robben genießen den wilden Badespaß. Fast alle Fotos, die dort in der imposanten Felsformation Admirals Arch geschossen werden, zeigen Menschen mit improvisierten Föhnfrisuren, die der Wind frech geformt hat. Man fühlt sich ein wenig wie im rauen Schottland - auch bei den rostroten Granitfelsen Remarkable Rocks, die imposant auf einer Anhöhe stehen.

Hier im Süden ist die Natur wilder als im Norden, wo das Land gelb und üppig wird, Rinder weiden und auch Touristen rar sind. Der kaum bewohnte Norden ist ideal, um einen Stopp an einem der vielen Traumstrände der Insel zu machen. Und total allein zu sein.

Und dann endlich: Kängurus. Sie liegen auf einer weiten Wiese gemütlich unter Sträuchern, sind nicht sonderlich verschreckt, schauen eher neugierig, wer da schon wieder vorbeikommt. Nach nur zwei Tagen versteht man Nikki und ist selbst so weit: Man hat keine Lust ins stressig Adelaide zurückzukehren. Aber die Zeit wird knapp, mit vollem Tempo geht es zum Flughafen, eine halbe Stunde vor Abflug wartet der Kapitän schon direkt am Gepäckschalter und hilft entspannt beim Einchecken. "Entschuldigung für die Verspätung", meint Nikki, "es war so viel Verkehr." Das nennt man auf Kangaroo Island einen guten Witz.

Nicht, dass es auf einer der Inseln nördlich von Brisbane stressig zuginge. Die Luft ist tropisch heiß und feucht. Wer hierher, in den Nordosten Australiens fährt, will ausspannen und das Great Barrier Reef, das größte Korallenriff der Welt, das sich über 2000 Kilometer erstreckt, ertauchen, erschnorcheln, ersegeln oder einfach nur von oben sehen ("Lonely Planet" schreibt: "Es ist das einzige ,Lebewesen', das vom Weltraum aus sichtbar ist").

Die BBC reihte in ihrer Serie "50 Places To See Before You Die" dieses Naturwunder gleich nach dem amerikanischen Grand Canyon und hat damit absolut recht: Man bekommt gar nicht genug von den Schnorcheltouren und Panoramaflügen. Nur 20 der 200 Inseln im Riff sind für Besucher erschlossen, entsprechend unberührt wirkt der Gesamtkomplex des Barrier Reefs nach wie vor. Natürlich ist man danach fürs Leben verdorben, nicht nur weil man die Kategorie Traumstrand völlig neu definieren muss, sondern auch weil die satten Farben und der Unterwasserreichtum dieses Riffs fast schon unwirklich sind. Vor allem die Whitsunday Islands, ein Teil des Reefs, das so groß wie Japan ist, gelten mit ihrem türkisen Wasser und weißen Buchten als Traumdestination. Man sollte sich allerdings, will man auf einer der Inseln übernachten, vorher überlegen, worauf man Lust hat: Airlie Beach auf Hamilton ist Party-Zone, Hayman, ganz im Norden, hingegen ein Nobelresort. Dazwischen gibt es auch einiges.

Am Shute Harbour Flughafen auf Hamilton Island werden die Scheiben der Maschinen gründlich geputzt: Schließlich ist ein Flug mit Aussicht geplant. Die kleinen Maschinen kreisen übers Riff, das strahlend grün schimmert, und hin und wieder sieht man auch eine Riesenschildkröte ihre Runden ziehen. Man landet auf dem Wasser und schon kommen die Boote mit Schnorchelausrüstung, um sofort ins Reich der Fische und Korallen abzutauchen. Natürlich wartet nach jedem Tauchgang Champagner auf die Urlauber. Irgendwie ein stressiger Job: dauernd diese glücklich-dumm grinsenden Besuchergesichter zu sehen. Aber Tauchlehrer Mick nimmt es sichtlich gelassen.

Die Insel Hayman ist so, wie man sich eine tropische Insel vorstellt. Dabei wurde nachgeholfen: 1000 Palmen wurden vom Festland geholt, insgesamt sieben Millionen Pflanzen wurden gesät, damit die perfekte Tropeninsel entstehen konnte, auf der nun ein einziges Fünf-Sterne-Resort Platz findet.

Don, der Naturguide des Nobelresorts, erzählt: "Diese Pflanze gedeiht umso besser, je schlechter man sie behandelt. Und das ist unsere tote Ecke - hier gibt es kein Tageslicht, jede Pflanze stirbt hier." Don ist seit vier Jahren hier und natürlich hat er auch Lieblinge, die er nie in die Todesecke stellen würde.

Das Leben hier läuft langsam, man hängt am Salzwasserpool herum oder sieht aufs Meer hinaus, abends ist ab zehn Uhr Funkstille und nur die Sterne thronen hell am Himmel. Am Balkon sitzen Kakadus, die einen neugierig anschauen.

So leicht verschieben sich Wahrnehmungen: Im Vergleich dazu kommt einem plötzlich sogar Kangaroo Island hektisch vor. Man hat selbst schon fast das Koala-Tempo erreicht. Beim Abschied am Flughafen in Sydney begegnen sie einem zum letzten Mal, die faulen Bären, allerdings als Stofftiere im Regal - aber sie sehen ein bisschen munterer aus als die echten. (Karin Cerny/DER STANDARD/RONDO/11.1.2008)