Cat Power: "Jukebox" (Matador/Edel), ab 18. Jänner

Foto: Matador/Edel

Nick Cave verehrt sie. Patti Smith sieht in ihr eine Seelenverwandte. Sie wiederum liebt Bob Dylan und Lou Reed ebenso wie Serge Gainsbourg oder Southern Soul. Das bedingt nicht nur eine beständige Gefühlsschwere, es führte auch zu Zusammenarbeiten mit Teilen von Al Greens legendärer 70er-Jahre-Band. Ihr Vater war Bluesmusiker im US-Süden, sie selbst hat die Musiken dieses Landstreifens hörbar verinnerlicht. In ihrer aktuellen Begleitband, The Dirty Delta Blues genannt, spielen Leute von Jon Spencers Blues Explosion und den australischen Dirty Three. Klingt nicht schlecht, oder?

Kann man also so jemanden, der offenbar einigen der wesentlichsten Eckpfeilern der Populärmusik tief verbunden ist, nicht mögen? Nein, trotzdem ließen die bisherigen Alben von Chan Marshall alias Cat Power nie jene Euphorie aufkommen, die ihnen von großen Teilen der Fachpresse samt jeweils großzügig vergebenem Vorschusslorbeer entgegengebracht wurde. Ihr letztes Album, The Greatest, wurde oftmals zu den besten Alben des Jahres 2006 gezählt und verkaufte sich über zwei Millionen Mal. Trotzdem: Fadgas galore! Sorry.

Ab jetzt bleibt allerdings alles anders: Jukebox, ihr achtes Album, betört von der ersten Sekunde an. Erstmals sind hier all jene Zutaten, mit denen Charlyn Marie Marshall seit ihrem Auftauchen Mitte der 90er arbeitet, so arrangiert und dosiert, dass jeder Widerstand zwecklos erscheint.

Jukebox ist ein Cover-Album. Das könnte auch ein populistischer Schmäh sein. Spätestens Nick Caves Kicking Against the Pricks (1986) hat gezeigt, dass man sich mit einer geschickten Auswahl von Coverversionen in einen Referenzrahmen stellen kann, in dem man gerne wahrgenommen werden würde. Diesen Vorwurf kann man Cat Power nicht machen. Denn Marshall entstellt das von ihr ausgewählte Material bis zur Unkenntlichkeit, erlaubt oft bloß dem Refrain das Geheimnis der Herkunft eines Songs preiszugeben. Prototypisch funktioniert das in der Eröffnungsnummer New York - als New York, New York von Frank Sinatra ins kollektive musikalische Gedächtnis der Welt verpflanzt -, die Marshall so lange beugt und biegt, bis sie zu einem neuen, zu ihrem Stück wird: Ein behäbiger Schlagzeugrhythmus sowie minimalistische Blueslicks versetzen die Handlung in den Süden, wo der gottvolle Spooner Oldham auf seinem Keyboard genau die richtigen Tasten drückt und diese Ode an die Stadt, die niemals schläft, zu einem genialischen Stück Southern Soul macht.

Oldhams Keyboard rollt Marshall einen Teppich aus, auf dem diese in einer grandiosen Mischung aus Emphase und Nonchalance um die Häuser schleicht - hellwach und todmüde zugleich. New York eben. Eine Stadt als Abbild eines menschlichen Zustands. Kater und abgekühlte Aufregung. Liebe und Blues. Gelingen und Versagen. Country und Western.

Wobei das von dort bezogene Ramblin' Man von Hank Williams hier zu Ramblin' (Wo)man und vom weißen in den schwarzen Soul übergeführt wird. Es folgen Deutungen von Blue (Joni Mitchell), Aretha, Sing One for Me (George Jackson), Don't Explain (Billie Holiday) oder Woman Left Lonely, das aus der Feder des Southern-Soul-Dreamteams Dan Penn/Spooner Oldham stammt und von Janis Joplin in die Welt getragen wurde. Die Mittel dazu stammen weitgehend aus dem soulaffinen Bereich, werden stellenweise von Gitarrenminiaturen aufgebrochen - ohne die atmosphärische Gesamtheit des Albums zu untergraben.

Wem das ähnlich ausgerichtete ebenso geniale Coverversionenalbum I'll Take Care Of You des geschundenen Mark Lanegan, eines Seelenverwandten Marshalls, gefallen hat, wird vor dieser Jukebox niederknien. (Karl Fluch / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.1.2008)